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Die Arbeit bietet zunächst eine Aufarbeitung des theoretischen Hintergrundes der Spracherwerbsstörung und setzt sich dabei mit Fragen des ungestörten und gestörten Grammatikerwerbs, der Ätiologie, der Persistenz von Spracherwerbsstörungen, der Therapieeffektivität und der Diagnostik auseinander. Im Mittelpunkt steht dann die Darstellung einer Therapieeffektivitätsstudie, die den therapie- und unterrichtsdidaktischen Ansatz der "Kontextoptimierung" in der Kleingruppentherapie sowie im therapieintegrierten Unterricht an 6 Schulen für Sprachbehinderte (Klassenstufe 3 und 4) evaluiert. Das Ziel der Intervention lag dabei in der Förderung des Nebensatzerwerbs. Für die Erhebung des jeweils erreichten Erwerbsstands komplexer syntaktischer Fähigkeiten wurde ein in der Arbeit dokumentiertes Diagnostikverfahren (Screening im Klassenverband und umfassenderes Material für die Einzelüberprüfung) entwickelt. Die durchgeführte Intervention wird anhand praktischer Beispiele konkretisiert. Der Therapieerfolg wurde zu zwei Zeitpunkten (Posttest I: unmittelbar nach der Intervention; Postest II: nach einer interventionsfreien Phase 3 Monate nach Therapieabschluss) erhoben. Die Auswertung erfolgte sowohl gruppenbezogen als auch einzelfallbezogen und vergleicht jeweils - den Ausgangsstand und den nach der Förderung erreichten Stand des Nebensatzerwerbs, - die auf den Nebensatz bezogenen sprachlichen Leistungen in der Experimentalgruppen und einer Kontrollgruppe sowie - den Einfluss unterschiedlicher Faktoren (u. a. Alter, Mehrsprachigkeit, auditive Verarbeitungsfähigkeiten) auf den Therapieerfolg. Ergänzend wurde eine Pilotstudie in die Untersuchung integriert, in der die Weiterentwicklung grammatischer Fähigkeiten in einem (auf das spezielle Ziel des Nebensatzwerwerbs bezogen)interventionsfreien Zeitraum bei spracherwerbsgestörten Kindern überprüft wurde, die in der Eingangsuntersuchung der Produktion von Nebensätzen bereits einen Korrektheitsgrad von mindestens 60% erreicht hatten.
Förderung von kompetenzorientiertem naturwissenschaftlichem Lehren und Lernen im Sachunterricht
(2020)
Der ab dem Jahr 2014 in den Deutschschweizer Kantonen zur Einführung freigegebene Lehrplan 21 verfolgt das Ziel, die Schule über kompetenzorientierten Unterricht zu reformieren. Die Implementierung des Lehrplan 21 in der Volkschule soll einerseits über neue Weiterbildungen der kantonalen Dienststellen für Bildung und den Pädagogischen Hochschulen und andererseits über neue kompetenzorientierte Unterrichtsmaterialien der Schulverlage erfolgen. Zumal die Umsetzung des Lehrplan 21 in der Volksschule noch im Gange ist, liegen schweizweit bisher kaum empirische Befunde über die Wirkung von kompetenzorientierten Lehrplan 21 kompatiblen Unterrichtsmaterialien und Weiterbildungen vor. Die Forschung hat sich noch unzureichend mit der Frage beschäftigt, unter welchen Bedingungen solche Professionalisierungsmassnahmen das Lehren und Lernen im naturwissenschaftlichen Sachunterricht an Schweizer Schulen kompetenzorientierter gestalten lassen. Die internationale Empirie zeigt allerdings, dass Fortbildungen für Lehrpersonen sowie auch Unterrichtsmaterialien das Potenzial besitzen, über qualitative Lerngelegenheiten das Lehren und Lernen zu verändern. Basierend auf dieser Grundlage soll mit dieser Entwicklungsforschung schweizweit erstmals die Wirkung von Professionalisierungsmassnahmen zur Förderung eines kompetenzorientierten naturwissenschaftlichen Sachunterrichts auf der Mittelstufe untersucht werden. Den Grundstein dieser Studie bildete ein im Sommer 2014 lanciertes Kooperationsprojekt zwischen dem Schulverlag plus Bern und dem Autor dieser Studie (Dozent an der Pädagogischen Hochschule Luzern) zur Erarbeitung einer qualitativen Lerngelegenheit in Form einer Unterrichtseinheit. Ziel der Kooperation war es, ein kompetenzförderndes Aufgabenset zum Themenbereich Stoffe und deren Eigenschaften zu entwickeln und zu erproben. Zusätzlich zur Unterrichtseinheit konzipierte der Autor dieser Studie ab Sommer 2015 eine Lerngelegenheit in Form einer Weiterbildung für Lehrpersonen der Mittelstufe. Diese Weiterbildung machte den kompetenzfördernden Unterricht im Sachunterricht mittels kompetenzfördernden Aufgabensets zum Gegenstand. Auf der Grundlage der beiden Lerngelegenheiten wurden zwei Professionalisierungsmassnahmen angelegt. Massnahme 1 beinhaltete eine Weiterbildung zu kompetenzfördernden Aufgabensets, eine Einführung in die Arbeit mit den Unterrichtsmaterialien des Lehrmittels NaTech sowie die anschliessende Arbeit mit der Unterrichtseinheit Süsse Chemie an der eigenen Schulklasse. Massnahme 2 beschränkte sich dagegen auf die Einführung in die Arbeit mit den Unterrichtsmaterialien des Lehrmittels NaTech und die anschliessende Arbeit mit der Unterrichtseinheit Süsse Chemie. Insgesamt haben im Schuljahr 2016/17 40 Lehrpersonen mit rund 650 Schülerinnen und Schüler an den beiden Professionalisierungsmassnahmen teilgenommen. Die beiden Massnahmen wurden begleitet von Erhebungen auf der Lehrpersonenebene und der Schülerinnen- und Schülerebene. Es interessierten insbesondere die Veränderungen in den naturwissenschaftlichen konstruktivistischen Lehr-Lern-Vorstellungen der Lehrpersonen sowie der Unterrichtsgestaltung im naturwissenschaftlichen Sachunterricht. Auf der Ebene der Schülerinnen und Schüler wurden die Kompetenzselbsteinschätzung sowie die Leistungsmotivation der Schülerinnen und Schüler betrachtet. Die Studie konnte bei beiden Professionalisierungsmassnahmen in den Bereichen der Unterrichtsgestaltung und der Kompetenzselbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler eine Veränderung und Annäherung an einen kompetenzorientierten, naturwissenschaftlichen Sachunterricht feststellen. Im Bereich der Leistungsmotivation wurde eine höhere Stabilität derselben bei den Schülerinnen und Schüler der Massnahme 1 (Weiterbildung, Lehrmitteleinführung & Unterrichtseinheit) gegenüber den Schülerinnen und Schüler der Massnahme 2 (Lehrmitteleinführung & Unterrichtseinheit) festgestellt. Augenfälligstes Ergebnis war der signifikante Unterschied im Bereich der Nützlichkeit. Die Schülerinnen und Schüler von Lehrpersonen, die eine Weiterbildung besucht haben, schätzten die Nützlichkeit dessen, was sie im Unterricht gelernt haben, für die eigene Zukunft höher ein als die Schülerinnen und Schüler der Vergleichsgruppe (Lehrpersonen ohne Weiterbildung). Des Weiteren wurde untersucht, wie sich die Prädiktoren Kohorte, Alter, Geschlecht, Sprache, Unterrichtswahrnehmung und Kompetenzselbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler auf die Leistungsmotivation auswirkten. Die Modellrechnungen zeigten, dass weder das Alter, das Geschlecht noch die Sprache signifikant auf die Leistungsmotivation wirkten. Signifikante, jedoch schwache, Wirkungen wiesen neben der Zugehörigkeit zur Kohorte die Unterrichtswahrnehmung und die Kompetenzselbsteinschätzung auf. Ferner konnte gezeigt werden, dass die Lehrpersonen im Bereich der Lehr-Lernfördernden Vorstellungen über beide Massnahmen hinweg hohe und stabile Ausprägungen auswiesen. Auch führten die Professionalisierungsmassnahmen zu einer Ausdifferenzierung im Bereich der Lehr-Lernhemmenden Vorstellungen. Die Diskussion der Ergebnisse liefert Hinweise dafür, dass vermehrt die Dialog- und Unterstützungskultur als Teil der kompetenzorientierten Aufgabenkultur in den Fokus von Professionalisierungsmassnahmen gerückt werden muss.
Insgesamt unterstützen die Ergebnisse dieser Studie die Weiterentwicklung der bestehen-den Professionalisierungsmassnahmen hin zu qualitätsvollen Lerngelegenheiten für Lehrpersonen. Solche Lerngelegenheiten sind notwendig zur erfolgreichen Implementierung des neuen Lehrplan 21, da Unterrichtsmaterialien allein nicht ausreichen.
Gedenktage sind ein wichtiger Faktor staatlicher Memorialpolitik. Geschichtsdidaktisch gesehen wohnt ihnen eine "eingeborene Anfälligkeit für historische Unvernunft" (Klaus Bergmann) inne. Im Band wird ausgelotet, inwiefern und in welcher Weise populistische Strömungen Einfluss nehmen auf Gedenktage in Deutschland und in Polen, Ungarn und der Ukraine.
Die Dissertation befasst sich mit der (psycho-)sozialen Situation älterer geistig behinderter Menschen in Wohnheimen, die schon das Rentenalter erreicht haben. Aufgrund der demographischen Entwicklung, die in den fortgeschrittenen Industriegesellschaften des Westens eindeutig in Richtung einer z. T. dramatischen Zunahme älterer und alter Populationen geht, ist schon von einem möglichen „Zusammenbruch des Generationenvertrags“ die Rede, weil die wachsenden Kosten für Renten, Pflegebedürftigkeit etc. schon in wenigen Jahrzehnten nicht mehr finanziert werden könnten. Deshalb wird auch immer öfter und immer lauter öffentlich über angebliche Notwendigkeiten geredet, das „soziale Netz zu beschneiden“, soziale Leistungen zu kürzen etc; die Mitte der 90er Jahre eingeführte Pflegeversicherung steht unter dem ständigen Zwang der „Kostendeckelung“ und des „Kostenvorbehalts“. Überall wird gespart, „Rationalisierungsreserven“ werden ausgelotet und „Professionelle“, soweit möglich, durch „Ehrenamtliche“ ersetzt. Die Arbeit weist einen theoretischen und einen empirischen Teil auf. Der theoretische Teil umfasst die Kapitel 2 und 3. Das Kapitel 2 befasst sich zunächst mit den gesellschaftlichen Entwicklungen in den fortgeschrittenen westlichen Ländern unter dem Stichwort „Von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft“ (2.1). 2.2 fasst unter „Individualisierung und der Wandel der Industriegesellschaft“ die Tendenzen zusammen, die unter Stichworten wie „Risikogesellschaft“, „Ende der >alten Moderne<“ etc. u. a. von Ulrich Beck in sozialwissenschaftlichen Theorien verarbeitet wurden (2.2.1). Ferner werden die Akzentverschiebungen in den (post-)modernen Gesellschaften am Wandel des Altersbildes erläutert, wo teilweise die „Neuen Alten“ gegen die „Alten Alten“ ausgespielt werden – und wo sich die Frage aufdrängt, ob die Fraktionierungen in der Altersgruppe der RentnerInnen nicht auch ein Auseinanderdriften der Sozialstruktur widerspiegeln (2.2.2). In 2.3 geht es darum, ob individuelle Eigenvorsorge (was heute auch oft als „Eigenverantwortung“ bezeichnet wird) und das Prinzip der Subsidiarität tatsächlich die sozialstaatliche Daseinsfürsorge funktional äquivalent ersetzen können, wie besonders von neoliberaler Seite immer wieder suggeriert wird. Kapitel 3 beschäftigt sich mit dem Thema Alter und Behinderung. 3.1 befasst sich speziell mit der psychosozialen Situation älterer Behinderter unter den Bedingungen der „Krise des Sozialstaates“. Dann geht es um die Frage, wie unter dem Diktat knapper öffentlicher Gelder die Lebensqualität älterer behinderter Menschen so gut wie möglich aufrecht erhalten werden kann (3.2) und stellt unter diesem Gesichtspunkt einen psychologischen Forschungsansatz dar, der auch als die „ökologische Psychologie des Alterns“ bezeichnet wird (3.2.1) und mit dem die Bedingungen erforscht werden sollen, unter denen gleichsam die „Quadratur des Kreises“ gelingen könnte, trotz der Sparzwänge die Lebensqualität (behinderter) alter Menschen zu erhalten oder sogar zu steigern. 3.3 enthält eine kurz gehaltene, sozialphilosophische Erörterung zur Frage, welche Grundrechte ein Behinderter bzw. Pflegebedürftiger denn nun eigentlich hat, und ob liberale Grundrechte ausreichen (in denen etwa ein Pflegebedürftiger als „Kunde“ eines Pflegeheims betrachtet wird) oder ob diese nicht vielmehr durch soziale Grundrechte vervollständigt werden müssen, wie sie ja etwa schon im „Sozialstaatsgebot“ des Grundgesetzes angedeutet sind. 3.5 behandelt nochmals den gesellschaftlichen Strukturwandel, diesmal unter dem besonderen Augenmerk der sozialen Folgen für ältere Behinderte im engeren Sinn. Kapitel 4 widmet sich einem internationalen Vergleich empirischer und sozialgerontologischer Befunde über geistig Behinderte im Rentenalter. Das Kapitel 5 stellt den empirischen Teil der Arbeit dar. Dort werden die Ergebnisse und Befunde einer eigenen Befragung dargestellt, die im Sommer 2001 in fünf Wohnheimen des Münsterlandes durchgeführt und für die eigens ein Fragebogen entwickelt wurde. Interviewpartner waren die Heimleitungen, das Personal und einzelne geistig Behinderte. Die Heimleitungen wurden dabei zu den Stichworten Prävention, Rehabilitation, Integration und Normalisierung in Anlehnung an das von A. Skiba entwickelte Schema befragt. 5.1 gibt eine Einführung in die Fragestellung der Untersuchung und widmet sich methodischen Fragen des qualitativen Interviews, 5.2 schildert Einzelheiten der Durchführung und 5.3 enthält die Ergebnisse der Befragung. In Kapitel 6 werden die Ergebnisse der eigenen Befragung nochmals resümiert und mit dem im theoretischen Teil Erarbeiteten verglichen. Daraus ergibt sich eine bestimmte Zustandsbeschreibung der aktuellen Situation geistig behinderter alter Menschen in Wohnheimen, die zum Schluss mit konkreten Forderungen zur Verbesserung eben dieser Situation verbunden wird.
Dieses Buch versammelt Studien zur Alltags- und Regionalgeschichte des Heidelberger Religionspädagogen und Kirchengeschichtlers Jörg Thierfelder. Es sind Studien, die nicht verloren gehen dürfen, weil diese Perspektive in der großen Geschichtsschreibung nur wenig vertreten wird.
Das Leben in und mit der Kirchen im 'Dritten Reich' und in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat Jörg Thierfelder seit seiner Doktorarbeit über das Einigungswerk des württembergischen Landesbischofs Theophil Wurm (1868-1953) nicht mehr losgelassen. Unermüdlich hat er die großen und die kleinen Verhältnisse erforscht, beschrieben und durch Ausstellungen bekannt gemacht. Das alltägliche Handeln ist ihm dabei über die Jahrzehnte immer wichtiger geworden. Er ist ihnen mit Sympathie gefolgt und hat sie auch dann zu verstehen und verständlich zu machen gesucht, wenn er ihr Verhalten nicht billigen konnte.
Dass es sich beim Erwerb der geschriebenen Sprache um Lernprozesse handelt, bei denen der eigenaktiven Aneignung eine besondere Bedeutung zukommt, kann in der Sprachdidaktik als weithin geteilte Einsicht gelten. Kinder, die Lesen und Schreiben lernen, gehen auf eine intensivierte Suche nach Strukturen, nach Invarianzen auf dem für sie neuen Gegenstandsfeld der Schrift. Sie konstruieren bei ihren Lese- und Schreibversuchen subjektive, hypothetische Wissensbestände über Funktion und Strukturmerkmale der geschriebenen Sprache und nutzen sie für ihre eigenen Strategien zur Problemlösung beim Lesen und Schreiben. Dabei lässt sich beobachten, dass ihre Strategien im Erwerbsverlauf trotz individueller Varianz charakteristischen Mustern folgen, die in Stufenmodellen des Schriftspracherwerbs formuliert werden konnten (vgl. z.B. Frith 1985 und 1986, Eichler 1992, Brügelmann/Brinkmann 1994, Dehn 1994, Günther 1995, Valtin 2000, Scheerer-Neumann 2003). Die Herausbildung solcher Erwerbsmuster, die zu einem erheblicher Teil unabhängig von bestimmten Unterrichtsmethoden erfolgen kann, ist vor einem doppelten Hintergrund zu sehen. Einmal ist dies die Sachstruktur des Lerngegenstandes, also des Schriftsystems einer Sprache, dann sind es die Charakteristika der gegenstandsbezogenen (hier also sprachbezogenen) Lernprozesse.
Aus dieser Sachlage ergibt sich für die Fachdidaktik ein zweifaches Interesse. Sie fragt aus der Erwerbsperspektive heraus nach Strukturmerkmalen des Gegenstandsfeldes der geschriebenen Sprache und sie fragt nach den Aneignungsweisen der Lernenden in ihrer jeweiligen spezifischen Ausprägung. Tragfähige Antworten auf diese beiden Fragen sind eine notwendige Voraussetzung, um adäquate didaktische Modellbildungen zu ermöglichen und Lernende zu unterstützen.
Die Orientierung am Erwerbsgedanken ist für die im vorliegenden Band zusammengestellten Beiträge gemeinsame Gesprächsgrundlage. Dabei wird die Fruchtbarkeit des Gedankens weit über den Schriftspracherwerb im engeren Sinn hinaus deutlich. Der thematische Bogen reicht vom Phantasiespiel der Kinder im Vorschulalter über den schulischen Schriftspracherwerb und seine sachstrukturelle Fundierung bis zum Rechtschreiben und zum Formulieren auf der Sekundarstufe sowie zur Herausbildung der Kompetenzzum wissenschaftlichen Schreiben im Studium.
Hintergrund: Der Schlaganfall ist eine der Erkrankungen, die weltweit die höchste Sterblichkeit oder
dauerhaft schwere Behinderungen verursacht. Eine resultierende Hemiparese kann die Ausübung der Aktivitäten des täglichen Lebens und die Partizipation am gesellschaftlichen Leben erschweren. Die Spiegeltherapie wurde erstmals vor circa 25 Jahren für den Einsatz bei Hemiparese nach einem Schlaganfall beschrieben. Ein erstes systematisches Review mit Meta-Analyse wurde hierzu im Jahr 2012 veröffentlicht. Der Effekt einer zusätzlichen Spiegeltherapie auf die motorische Funktion konnte belegt werden. Allerdings wurde die exakte Durchführung der Spiegeltherapie nicht konsequent beschrieben und ist über die Studien hinweg nicht einheitlich.
Methode: Zunächst wurde eine aktualisierende Darstellung der bestehenden Evidenz zum Einsatz
der Spiegeltherapie im Hinblick auf die Verbesserung der Bewegungsfähigkeit nach einem Schlaganfall anhand eines systematischen Reviews mit Meta-Analyse durchgeführt. Mittels dieser Evidenz wurden nachfolgend die Gestaltungsvarianten der Spiegeltherapie für die obere Extremität quantitativ analysiert. Im Weiteren wurde ein Handbuch für Anwender*innen zur standardisierten Durchführung und Dokumentation der Spiegeltherapie bei Parese der oberen Extremität zur Verbesserung der Bewegungsfähigkeit erarbeitet. Dieses beruhte auf der Optimierung eines Therapieprotokolls, welcher eine Evaluation der Vorversion vorausgegangen war.
Ergebnisse: Die aktuelle Evidenz zeigte statistisch signifikante Effekte der Spiegeltherapie auf die
Bewegungsfähigkeit als zusätzliche Anwendung. Ein Einfluss der Gestaltungsvarianten auf den Effekt
der Bewegungsfähigkeit der oberen Extremität konnte aufgezeigt werden. Es zeigten sich größere statistisch signifikante Effekte, wenn die Spiegeltherapie mit einem großen Spiegel, unilateral und ohne den Einsatz von Objekten durchgeführt wurde. Das BeST – Berliner Spiegeltherapieprotokoll folgt einer standardisierten Durchführung und Dokumentation. Es integriert die drei Gestaltungsparameter und die Grundprinzipien motorischen Lernens.
Diskussion: Es wurde eine hohe Heterogenität festgestellt. Weitere Untersuchungen sollten daher die profitierende Studienpopulation, das Therapiesetting und die Therapiedurchführung in den Fokus setzen. Darüber hinaus werden Studien benötigt, die die Spiegeltherapie, routinemäßig angewendeten Therapiekonzepten gegenüberstellen. Die Standardisierung bietet Raum für weitere Entwicklungen, zum Beispiel im Bereich von Eigentrainings oder von technischen Lösungen.
„In Heidelberg trägt eine Brücke den Namen Hermann-Maas-Brücke. Dass man gerade eine Brücke nach ihm benannt hat, ist gewiss von tieferer Bedeutung. Denn der Heidelberger Pfarrer Hermann Maas (1877–1970) war in doppelter Hinsicht ein Brückenbauer. Zum einen zwischen Juden und Christen und zum anderen zwischen Deutschland und dem Staat Israel. Und er war darüber hinaus ein Retter, der vielen verfolgten Juden und Judenchristen in der Zeit des Dritten Reichs seelsorgerlich beigestanden und vielen zur Emigration in ein sicheres Land verholfen hat.“ Jörg Thierfelder spricht hier das einzigartige Handeln und Helfen von Hermann Maas während der Zeit des Nationalsozialismus an. Dies erkannte auch 1949 die israelische Regierung und lud ihn als ersten deutschen Staatsbürger nach Israel ein. Obwohl Hermann Maas mit seinem Denken seiner Zeit weit voraus war und auch mit seinem Handeln ein rühmlicher Einzelfall in der Geschichte der Bekennenden Kirche und Judenverfolgungen war, gab es bisher es noch keine ausführliche Biographie über ihn. Dies behob das Dissertationsvorhaben. So wurde zum ersten Mal eine Arbeit über Hermann Maas auf einer breiten Quellenbasis – ergänzt durch Aussagen von Zeitzeugen – geschrieben. Ziel der Dissertation über Hermann Maas war es, die bisher geleisteten wissenschaftlichen Arbeiten in einen Gesamtkontext zu stellen und diese in die eigenen und neuen Forschungsergebnisse einzugliedern.
Digitale Medien sind in den letzten Jahren fester Bestandteil der Lebenswelt, der Erinnerungskultur, aber auch des historischen Lernens geworden. Deshalb wirkt der Titel „Historisches Lernen im virtuellen Medium“ zunächst geläufig. Bei genauerer Betrachtung bedürfen die Schlüsselbegriffe aber einer Ausdifferenzierung. Beim „virtuellen Medium“ handelt es sich um unterschiedliche digitale Medien, die von Lernsoftware oder Computerspielen auf DVD bis hin zum Internet reichen. Hinter „dem Netz“, das sich in seiner jetzigen Ausprägung partizipativ und kommunikativ gibt, verbergen sich aber eine Vielzahl von – bisher noch kaum systematisierten – Anwendungen, die sich in ihrer Eigenart, ihrem Anspruch und in ihrer Rezeption
wesentlich voneinander unterscheiden. Bezogen auf den Gegenstand Geschichte sind dies beispielsweise große wissenschaftliche Portale wie HSozKult, die u.a. Rezensionen, Tagungsankündigungen und Möglichkeiten zu kontroverser Diskussion bieten. Das geschichtsdidaktische Portal www.lernen-aus-der-geschichte.de veröffentlicht eine thematisch ausgerichtete Onlinezeitschrift, den sog. Newsletter. Zeitzeugenarchive, virtuelle Museen wie das „Lebendige virtuelle Museum Online“ (LeMO), virtuelle historische Stadtrundgänge, Frage-Antwort-Portale auch mit historischen Fragen, Weblogs mit historischen Inhalten, Youtube-Filme und nicht zuletzt das Online-Lexikon Wikipedia weisen höchst unterschiedliche Charakteristika auf – sowohl was ihren Anspruch als auch ihre Nutzung betrifft. Nur einige der genannten Anwendungen verstehen sich als historischer Lernort, z.B. die virtuellen Museen, bei anderen steht das historische Lernen nicht im Vordergrund. Das virtuelle Medium gibt es also nicht, sondern die Vielzahl der unterschiedlichen Anwendungen muss differenziert charakterisiert und analysiert werden. Zumindest den Internetanwendungen gemeinsam ist deren Hypertextstruktur, ein Merkmal, das auch das Erzählen von Geschichte im Internet verändert. An die Stelle linearer „Meistererzählungen“, die einen bestimmbaren Anfang und Schluss haben, treten vermehrt Narrationen, deren Merkmale im situativen, assoziativen, multiperspektivischen Erzählen
mit offenen Enden und der Möglichkeit – aber nicht immer der Gegebenheit
– des sich Einklinkens auch von Laien bestehen. Diese situativen historischen Erzählungen betonen die Heterogenität und Diskontinuität einer offenen Geschichte, was die Orientierung mit deren Hilfe erschwert (vgl. Krameritsch 2010). Gleichzeitig treten im Internet viele „private“ Zeitzeugen auf, deren Erinnerungen nicht, z.B. durch eine wissenschaftliche Redaktion, „zertifiziert“ wurden. Sie gestalten auch viele Erinnerungsseiten, z.B. an Ereignisse oder Personen, so dass die Geschichtskultur im Netz viel stärker durch ein Nebeneinander von wissenschaftlichen, halbwissenschaftlichen, journalistischen und privaten Elementen bestimmt ist. Erinnerungen sind zwar per se virtuell und lassen sich nur an Erinnerungsobjekten wie Fotos „festmachen“, gleichwohl mischen sich in ihnen reale und fiktive Elemente, als dass erzählte Erinnerungen im Zeitverlauf ausgeschmückt und modifiziert werden. Die fiktiven Elemente enthalten dann die Verarbeitungen, medialen Überblendungen und Versicherungen der erinnernden Person. Schon dieses Verhältnis zeigt, dass real und fiktiv keinen Gegensatz darstellen, sondern Wirkliches und Nicht-Wirkliches aufeinander bezogen werden. Gleiches gilt für das virtuelle Medium, in dem z.B. Avatare nicht nur als
fiktiv, sondern in ihrer Gemeinsamkeit und Unterschiedlichkeit zu lebenden
Personen wahrgenommen werden.
Ob diese Eigenschaft auch von allen Rezipient/innen wahrgenommen wird, sei in Frage gestellt. Dies betrifft gerade auch Schüler/innen, die sich als sogenannte „digital Natives“ scheinbar mühelos der digitalen Medien bedienen, sich dabei aber häufig auf bestimmt Elemente wie Twitter oder soziale Netzwerke beschränken, von einer „historische Online-Kompetenz“, die z.B. eine kritische Haltung zu den Angeboten beinhaltet, aber noch weit entfernt sind. Gleichzeitig hat sich das schulische Arbeiten, z.B. im Hinblick auf Referate zu historischen Themen, verändert, insofern diese häufig aus Internetfunden bestehen, die aus dem immer verfügbaren Netz heruntergezogen werden. Auch über diese Veränderungen des historischen Lernens wird in diesem Band – und wahrscheinlich noch weit darüber hinaus – zu sprechen sein, gerade weil empirische Befunde dazu noch weitgehend fehlen.
Dieser Band „Historisches Lernen im virtuellen Medium“ dokumentiert die Ergebnisse einer im März 2009 an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg durchgeführten Tagung und enthält die überarbeiteten und teilweise erweiterten Vorträge der Tagung.
Die COVID-19-Pandemie betraf nahezu alle Lebensbereiche, auch die Wissenschaft. Die Erfordernisse des Infektionsschutzes brachten vielerlei Kontaktbeschränkungen mit sich und trafen damit den unverzichtbaren Kernbereich des Lernens, Forschens und Arbeitens an Hochschulen: die Kooperation, den Austausch, das Gespräch. In kurzer Zeit und unter sich beständig verändernden sachlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen mussten die Mitglieder der Hochschulen alternative Formen der Kollaboration finden. Welche Erfahrungen Studierende, Lehrende, Forschende und die Verwaltung dabei vom Sommersemester 2020 bis zum Wintersemester 2021/22 gemacht haben, dar¨über berichten und erzählen die Beiträge im vorliegenden Band am Beispiel der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.
Was kommt nach dem Tod? Diese Frage hat von jeher die Menschheit bewegt. Die großen Weltreligionen vermitteln auf diese Frage Hoffnung - doch die Antworten, die sie geben, sind unterschiedlich. Sie sind nicht zuletzt für die Fragen des gesellschaftlichen Miteinanders im Hier und Jetzt entscheidend. Deshalb bietet sich das existenzielle Thema der Eschatologie für den interreligiösen Dialog in Schule und Hochschule an.
Vorliegender Band ist aus einem interreligiösen Kooperationsprojekt hervorgegangen, das die Pädagogische Hochschule Heidelberg (Institut für Philosophie und Theologie) in Kooperation mit der Hochschule für Jüdische Studien, Heidelberg, und dem Institut für Islamische Theologie, Pädagogische Hochschule Karlsruhe, seit 2011 einmal im Studienjahr durchführt. In diesem Band äußern sich jüdische, katholische, evangelische und islamische Theologinnen und Theologen. Ihre Beiträge wollen ebenso wie die aus der Philosophie zu komparativen Studien einladen.
Eine den Band abschließende Auswertung der interreligiösen Kooperation zwischen den theologischen und philosophischen Studienfächern bestätigt den Mehrwert des interreligiösen Begegnungslernens in Schule und Hochschule.
Wie standen Eltern von Schülerinnen und Schülern der 1910 von Paul Geheeb gegründeten und mit seiner Frau Edith, geb. Cassirer, bis 1934 geleiteten Odenwaldschule in Oberhambach bei Heppenheim/Bergstraße gegenüber? Diese Frage beantwortet die Dissertation mit Ergebnissen aus der Aufarbeitung des im Archiv der Odenwaldschule lagernden Briefwechsels zwischen Elternhaus und Schule. Als Glücksfall erwies sich die Tatsache, dass die Schülerakten nicht nur die Schreiben der Erziehungsberechtigten, sondern in den meisten Fällen auch Durchschläge der Antwortbriefe des Schulleiterehepaares enthalten. Ein kurzer erster Teil thematisiert die Reaktion der Eltern auf die "Gestalt", d.h. das Erscheinungsbild der damals aus zwölf Gebäuden bestehenden Schule. Den Hauptteil der Ausführungen stellt das Erfassen der Lebenswirklichkeit der Schulgemeinschaft dar, liefert diese doch als Realisierung einer reformpädagogischen "Idee" die Folie für die Analyse ebendieser Wirklichkeit durch die mit ihr verbundenen Elternhäuser. Es werden somit zwei Komplexe miteinander in Beziehung gebracht: 1) die Perspektive Paul Geheebs unter folgenden Gesichtspunkten: - Wie sah seine Idee einer Schule aus? - Was sollte seine Schule für die ihm anvertrauten Kinder und Jugendlichen sein? - Weichem Bildungs- und Erziehungsbegriff folgte er? - Von welchem Menschenbild ließ er sich leiten? - Wie setzte er seine Idee in die Praxis um? und 2) die Haltung der Eltern in der Antwort auf folgende Fragen: - Was veranlasste Eriehungsberechtigte, ihre Kinder gerade in diese Reformschule zu schicken? - Welches Verständnis von Erziehung und Bildung lag diesem Schritt zugrunde? - Wie beurteilten Väter und Mütter den an der Schule ihrer Kinder beschrittenen reformpädagogischen Sonderweg? - Weshalb wurden manche Eltern zu tatkräftigen Kooperationspartnern und andere zu erbitterten Kontrahenten der Geheebs und ihrer Schule? Ein letztes Kapitel informiert über das Verhältnis zwischen Elternhaus und Schule zur Zeit des politischen Umbruchs mit elterlichen Reaktionen auf Ereignisse der Jahre 1932/33, die 1934 durch Paul Geheeb erfolgte Schließung der Odenwaldschule, deren Fortführung als "Gemeinschaft der Odenwaldschule" und die Emigration Paul und Edith Geheebs in die Schweiz, wo sie mit ihrer "Ecole d'Humanité" eine Nachfolgeschule der Odenwaldschule gründeten.
In dieser Arbeit geht es um einen Vergleich von Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen. Dazu wurde eine empirische Untersuchung unter Studierenden der Rechtswissenschaft, der Medizin und der Lehrämter (Gymnasium und PH) durchgeführt zu den Themen Studium/Beruf, soziale Beziehungen und Selbstzufriedenheit (ausgewertet wurde nach Studiengang und Geschlecht). Dabei werden Unterschiede in der Leistungsorientierung sowie den Wertvorstellungen der Studierenden dieser Fachrichtungen besonders deutlich.Unterschiede sind auch in Bezug auf die soziale Herkunft erkennbar.
In den Kindergärten ist frühe naturwissenschaftliche Bildung inzwischen offiziell verankert und gehört zum elementarpädagogischen Bildungsauftrag (KMK 2004). Pädagogische Fachkräfte erfahren aktive Unterstützung durch Fortbildungsprogramme, Materialsammlungen, Literatur und Kinderlabore. Kindergartenkonzeptionen haben naturwissenschaftliche Bildungsangebote in ihren Alltag implementiert. Fachdidaktische Studien nehmen die Qualität in den Blick, in dem unter anderem die Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte untersucht, die Entwicklung und Gestaltung altersgerechter und nachhaltige Motivation fördernde Lernumgebungen voran getrieben werden sowie die Lernprozesse als Ergebnis der aktiven Bildungsbemühungen erforscht werden. Für einen nachhaltigen Bildungserfolg ist allerdings auch die Tatsache ausschlaggebend, dass die Mehrzahl der Kinder in einem geteilten Betreuungsfeld leben und täglich zwischen Kindergarten und Familienleben wechseln. Beide Lebenswelten bieten Bildungsangebote. Die individuellen Erfahrungen der Kinder stammen also aus verschiedenen Quellen. Folgt man pädagogischen Studien, ist davon auszugehen, dass insbesondere der Einfluss des Familienlebens nachweislich eine große Rolle für den Bildungserfolg spielt (Sylva&Taggart, 2010; Tietze et al., 2012). Eltern geben Orientierung und bieten unterschiedliche Erfahrungsspielräume. Sie können auf die Erlebnisse und Erfahrungen, die die Kinder im Kindergarten machen, reagieren und diese in ihren eigenen Familienalltag einbeziehen, denn „es ist (…)wichtiger, was Eltern tun, als was sie sind“ (Sylva&Taggart, 2010, 17). Um anknüpfen zu können, brauchen Eltern die Kenntnis der Kindergartenpraxis. Die pädagogischen Fachkräfte in den Kindergärten brauchen wiederum die Kenntnis über die Bildungsarbeit in den Familien. Beide sollten darüber kommunizieren. In dieser explorativen Feldstudie wurde der Informationsfluss zwischen pädagogischer Fachkraft und Eltern im Bereich früher naturwissenschaftlicher Bildungsangebote untersucht. Mit Hilfe einer induktiven und deduktiven computergestützten qualitativen Inhaltsanalyse konnte belegt werden, dass im Kindergarten ein Austausch von Informationen zwischen pädagogischen Fachkräften und Eltern stattfindet, jedoch nachweislich eine Diskrepanz zwischen allgemeiner Information und Information über naturwissenschaftlichen Angeboten besteht. Ebenso zeigt sich in der Nutzung der Informationskanäle ein einseitiges Informationsverhalten. Damit ein guter Austausch zwischen Elternhaus und Kindergarten über frühe naturwissenschaftliche Bildung stattfinden kann, brauchen pädagogische Fachkräfte eine spezielle Kommunikationskompetenz, die sie befähigt naturwissenschaftliche Bildungsarbeit im Kindergarten für Eltern transparent zu machen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass gerade Kommunikationskompetenz im Hinblick auf frühe naturwissenschaftliche Bildung in die Aus-und Weiterbildung implementiert werden sollte.
"Inklusion" ist seit der Behindertenkonvention von 2006 ein allgemeiner Anspruch und eine Herausforderung an das Schulsystem. Der vorliegende Sammelband fasst die Rede von "Inklusion" weit und will die Debatte wieder auf ein Grundproblem oder eine Grundspannung von Inklusion und Individualität zurückführen. Wie ist Inklusion ohne Vereinnahmung möglich?
Innovativ Schule entwickeln : Kompetenzen, Praxis und Visionen ; 7. Heidelberger Dienstagsseminar
(2006)
Der vorliegende Band ist aus einzelnen Beiträgen des 7. Heidelberger Dienstagsseminars mit dem Titel „Schule entwickeln ... Visionen, Strukturen, Prozesse, Kompetenzen“ entstanden. In Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg und der Schulverwaltung hat die Pädagogische Hochschule Heidelberg ein breites, umfassendes Veranstaltungsprogramm entwickelt, das aktuelle Ansätze der Schulentwicklung widerspiegelt. Eingeladen zur Veranstaltungsreihe waren in erster Linie Studierende der Pädagogischen Hochschule und der Universität Heidelberg, Kolleginnen und Kollegen, die im pädagogischen Feld tätig sind sowie die interessierte Öffentlichkeit. Ziel war es, über die drängenden Fragen im Bereich der Schulentwicklung miteinander ins Gespräch zu kommen und vielseitige Anregungen für das Leben und die Arbeit in Bildungseinrichtungen zu vermitteln.
Mit dem Titel Innovativ Schule entwickeln wollen wir deutlich machen, dass unser Bildungswesen in Bewegung geraten ist, Modernisierungen in Gang gekommen sind und dennoch weitere Entwicklungsschritte dringend anstehen. Innovative Konzepte liegen dazu vor. Sie orientieren sich an der Idee des Prozesses vom lebenslangen Lernen und weitergehend in der Perspektive, die Beteiligten aktiv in die Konzepte und in die Realisation einzubeziehen. Welche Chance die Referenten für die Schule und unser Bildungssystem sehen, werden in den einzelnen Beiträgen dargelegt.
Die vorliegende Arbeit setzt an dem Gedanken an, dass sich die Professionalität von Lehrpersonen nicht allein schon aus dem bloßen beruflichen Agieren ergibt, sondern diese zunächst angeeignet und gepflegt werden muss. In der Schulentwicklungs- und Professionsforschung besteht jedoch das Problem, dass nicht ausreichend darüber aufgeklärt ist, inwiefern die Einzelschule als Sozialisationsort die Professionalisierung von Lehrpersonen bedingt. Dieses Problem wurde hier angegangen und es erfolgte der Bestimmungsversuch, ob und wie sich die Professionalisierung fördernde Rahmenbedingung von Einzelschulen bestimmen lassen. Über die Bearbeitung der Literatur zur Professionsforschung im Lehrberuf erfolgten vier zentrale Ergebnisse: Erstens konnte ein innovatives Modell zur Genese eines professionellen Habitus im Kontext vom beruflichen Agieren im Feld der Schule konzipiert werden. Eine zweite Modellkonzeption veranschaulicht die Dynamik zwischen Gelingensfaktoren von Professionalisierung im Lehrberuf. Drittens, erfolgte eine Bewertung der Schulkulturanalyse von Helsper et al. als eine geeignete Methode zur Bestimmung professionalisierungsfördernder Rahmenbedingungen von Schulen mithilfe von Fallstudien. Viertens konnte erörtert werden, warum sich professionelle Praxen im Feld immer fallspezifisch und aus sich selbst heraus bewähren müssen und sich Praxisformen nicht beliebig auf Schulen übertragen oder sich ihnen „überstülpen“ lassen. Indem diese Arbeit veranschaulicht, dass sich die Schule als Sozialisationsort maßgeblich auf die Herausbildung von professionellen oder nicht-professionellen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmustern auswirkt, zeigt sie, dass der Zusammenhang von Schulkultur und Professionalisierung in der Professions- und Schulentwicklungsforschung künftig stärker berücksichtigt werden sollte.
Schülerinnen und Schüler mit schweren und mehrfachen Behinderungen sind in allen Lebensbereichen auf umfassende Unterstützung angewiesen. Für die schulische Bildung ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Kooperation verschiedener Berufsgruppen (z.B. Pädagogen, Therapeuten, Pflegekräften). Dennoch wurde bislang nicht umfassend untersucht, wie sich die interprofessionelle Zusammenarbeit in diesem Arbeitsfeld gestaltet. Die übergeordnete Fragestellung der vorliegenden Arbeit, lässt sich - abgeleitet aus der psychologischen und (sonder-)pädagogischen Literatur zur Teamarbeit - in die Untersuchungsschwerpunkte Planung und Konzeption der Kooperation, Unterschiede zwischen den Berufsgruppen und die konkrete Zusammenarbeit gliedern. Die konkreten Fragestellungen in diesen Schwerpunkten werden durch verschiedene methodische Zugänge bearbeitet. Da die Untersuchung an das Forschungsprojekt BiSB (Bildungsrealität von Kindern und Jugendlichen mit schweren und mehrfachen Behinderungen) der Pädagogischen Hochschule Heidelberg angegliedert ist, kann dabei auf die umfangreichen Methoden des Projekts zurückgegriffen werden: Zum einen auf eine flächendeckende, mehrperspektivische Fragebogenerhebung in Baden-Württemberg, zum anderen auf sechs videobasierte, einwöchige Einzelfallstudien sowie auf das Teamklima-Inventar (TKI). Die Ergebnisse der Fragebogenerhebung zeigen u.a., dass interprofessionelle Teamarbeit nicht an allen Schulen konzeptionell verankert ist und dass Teamsitzungen nur bei ca. einem Drittel der untersuchten Schulen regelmäßig wöchentlich stattfinden. Außerdem wird deutlich, dass sich die Berufsgruppen - wie erwartet - hinsichtlich ihrer Voraussetzungen, ihrer Kenntnisse und Einstellungen voneinander unterscheiden. Die Untersuchung der konkreten Zusammenarbeit durch die Befragung (also durch Einschätzungen) und durch Videoanalysen zeigt, dass die Aufgabenverteilung und der Kompetenztransfer in den verschiedenen Teams sehr unterschiedlich geregelt sind und dass es hinsichtlich der Nutzung der Personalressourcen Qualifikations- und Verbesserungsbedarf gibt. Abschließend werden Implikationen für die Teammitglieder, die Schulleitungen und die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften abgeleitet.