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Die Herausforderungen im Kontext des globalen Klimawandels und der planetaren Grenzen des Systems Erde lassen die grundlegende Bedeutung von Systemkompetenz zur Analyse und Bewältigung komplexer dynamischer Probleme deutlich werden. Die notwendigen Schritte zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele setzen eine raumbezogene Handlungskompetenz aller beteiligten Akteure voraus, die maßgeblich auf einer vernetzten Einsicht in die Zusammenhänge von natürlichen und gesellschaftlichen Systemen beruht. Aus didaktischer Sicht steht in der vorliegenden Studie daher die Forschungsfrage im Vordergrund, auf welche Weise die Systemkompetenz von Jugendlichen im Kontext raumwirksamer Mensch-Umwelt-Beziehungen bestmöglich gefördert werden kann.
Den thematischen Rahmen der Arbeit bildet das Phänomen der Bodenerosion im Kontext des Klimawandels. Neben den bereits heute gegebenen Risiken und Gefährdungen ist hierbei durch die im Klimawandel zu erwartende Häufung von Starkniederschlagsereignissen und die jahreszeitliche Veränderung der Bodenfeuchteverhältnisse eine Verschärfung des Gefährdungspotenzials für landwirtschaftlich genutzte Böden wahrscheinlich. Das in Bezug auf das lebensweltliche Umfeld der Jugendlichen erarbeitete Phänomen steht daher stellvertretend für komplexe und dynamische Mensch-Umwelt-Systeme.
Ausgehend von einem naturwissenschaftlich geprägten Systemverständnis und dem Bestreben der Systemwissenschaft, komplexe Systeme modellhaft zu erfassen, rückt die Modellbildung auch in der Frage nach gewinnbringenden methodisch-didaktischen Ansätzen zur Förderung des systemischen Denkens in den Mittelpunkt des Interesses. Aus dem Nebeneinander von konkret-gegenständlichen Modellen und Computersimulationen als rechnergestützten Verfahren der Modellierung leitet sich die für die vorliegende Studie zentrale Forschungsfrage ab, welches Potenzial diese Methoden einzeln oder in Kombination in Bezug auf die Förderung von Systemkompetenz von SuS besitzen. Zur Lernwirksamkeit unterschiedlicher methodisch-medialer Settings liegen dabei verschiedene, in ihren Ergebnissen heterogene und zum Teil widersprüchliche Forschungsarbeiten vor. Bei vielen Studien wurden analoge und digitale Medien und Methoden gegenübergestellt, jedoch nicht kombiniert (z. B. Edsall & Wentz 2007), bei anderen wies die kombinierte Intervention eine längere Zeitdauer auf als die vergleichend eingesetzte Computersimulation (z. B. Rieß & Mischo 2008). Vor dem Hintergrund dieses Forschungsstandes untersucht die hier vorgestellte empirische Vergleichsstudie im experimentellen Prä-Post-Test-Design die Veränderung der kontextuellen Systemkompetenz von SuS durch Einsatz (1) eines analogen Bodenerosionsmodells (= Modell), (2) eines digitalen Bodenerosionsmodells (= Simulation) bzw. (3) einer Kombination beider Zugänge, bei jeweils gleicher Zeitdauer der Interventionen. Zur Frage der Dimensionalität und Messung des Konstruktes „Systemkompetenz“ liegen im Kontext raumwirksamer Mensch-Umwelt-Beziehung eine Reihe theorie- bzw. evidenzbasierter Erkenntnisse vor (vgl. z. B.
Mehren u. a. 2018; Rieß u. a. 2015; Viehrig u. a. 2017), die sich jedoch in Teilen kontrovers gegenüberstehen.
Den konzeptionellen Bezugsrahmen der Forschungsarbeit bildet hierbei das im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts SysThema von Rieß u. a. (2015) entwickelte heuristische „Freiburger Kompetenzstrukturmodell zum systemischen Denken“ mit besonderer Schwerpunktsetzung auf der Systemmodellierung. Für die vier in diesem Kompetenzmodell ausgewiesenen Dimensionen A: „Systemtheoretisches Grundwissen (Deklaratives/konzeptuelles systemisches Wissen)“, B: „Systemelemente und Wechselwirkungen identifizieren, abbilden und interpretieren (Systemmodellierungsfähigkeit)“, C: „Mittels Systemmodellen Erklärungen geben, Prognosen treffen und Strategien entwerfen (Fähigkeit zur Nutzung von Systemmodellen beim Lösen von komplexen dynamischen Problemen)“ sowie D: „Gültigkeit und Vorhersageunsicherheit von Systemmodellen bestimmen (Bewertung von Systemmodellen und Ergebnissen der Modellanwendung)“ werden Testitems mit Bezug zum Themenfeld Bodenerosion entwickelt. Aufbauend auf den Erkenntnissen der Pilotierungsstudie (n = 78 SuS, vgl. Brockmüller u. a. 2016a,b) kann in der Hauptstudie (n = 203 SuS der gymnasialen Klassenstufen 10 bis 12) die Validität des überarbeiteten Systemkompetenztests durch eine substanzielle Übereinstimmung der inhaltlichen Expertenratings (Fleiss’ κ 0,79) sowie eine akzeptable interne Konsistenz der vier Skalen (Cronbachs α A: 0,54, B: 0,78, C: 0,70, D: 0,78) belegt werden.
Strukturentdeckende statistische Verfahren (exploratorische Faktorenanalyse) lassen auf vier zugrunde liegende Faktoren schließen. Auch bei Anwendung der strukturbestätigenden konfirmatorischen Faktorenanalyse kann die Modellpassung des vierdimensionalen Modells anhand von statistischen Modellgütekriterien bestätigt werden. Auf Grundlage eines Strukturgleichungsmodells (konfirmatorische Faktorenanalyse zweiter Ordnung) können schließlich die Korrelationen zwischen den Kompetenzdimensionen auf ein übergeordnetes Gesamtkonstrukt im Sinne von Systemkompetenz zurückgeführt werden. Die heuristischen Annahmen einer vierdimensionalen Kompetenzstruktur zum systemischen Denken nach Rieß u. a. (2015) können somit auf Grundlage des Datensatzes der vorliegenden Studie empirisch fundiert werden.
Ein im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts GeoSysKo theoretisch hergeleitetes und empirisch überprüftes Kompetenzstruktur- und -stufenmodell (vgl. auch Mehren u. a. 2018) umfasst zwei Dimensionen, die als „Systemorganisation und Systemverhalten“ sowie „Systemadäquate Handlungsintention“ ausgewiesen
sind. Im Abgleich der beiden Modelle wird zunächst deutlich, dass sich diese mit den o. g. Dimensionen B und C weitgehend decken. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie machen unter Beachtung der erreichten Modellgütemaße darüberhinausgehend die zusätzliche inhaltliche Bedeutung der Theorie- sowie der Reflexionsebene (Dimensionen A und D) für das Konstrukt Systemkompetenz deutlich.
Zur Untersuchung des Potenzials eines Einsatzes von analogen und digitalen Modellen und einer Kombination beider Methoden zur Förderung der auf diese Weise ausdifferenzierten Systemkompetenz wird die Stichprobe der Hauptstudie varianzanalytisch analysiert, um so u. a. der Forschungsfrage nachzugehen, ob statistisch bedeutsame Gruppenunterschiede zwischen den beiden Messzeitpunkten vor bzw. nach der Intervention bestehen. Dabei zeigt sich, dass der Mittelwert der über alle vier Dimensionen hinweg mit einem Gesamtscore erfassten Systemkompetenz in der Gruppe, die eine kombinierte analoge und digitale Intervention durchlaufen hat, statistisch signifikant höher liegt als in der Gruppe mit reiner Computersimulation (p = 0,024, bei kleiner Effektgröße Cohens f von 0,1). Bezüglich der vier einzelnen Systemkompetenz-Dimensionen zeigt sich, dass dieser Effekt in der Dimension B am deutlichsten ausgeprägt ist. Die Gruppe mit reiner Computersimulation erzielt in allen vier Dimensionen die niedrigsten Mittelwerte, während die Gruppe mit rein analogem Modelleinsatz in den Dimensionen B und C ähnlich niedrige Mittelwerte erzielt, in den Dimensionen A und D dagegen jedoch sogar die höchsten Mittelwerte erreicht. Mit Motivation und Lernstil werden weitere mögliche Einflussfaktoren auf den Kompetenzerwerb in der Studie berücksichtigt, deren Interaktionseffekte mit den drei Interventionsgruppen jedoch nicht statistisch signifikant ausfallen.
In der Gesamtschau liefern die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit neben einem theoretischen Beitrag zur Entschlüsselung der Struktur von Systemkompetenz im Kontext raumwirksamer Mensch-Umwelt-Beziehungen insbesondere auch unterrichtspraktische Hinweise zur Systemkompetenzentwicklung. Die am Beispiel Bodenerosion exemplarisch untersuchte Kombination analoger und digitaler Modelle erreicht bei gleichem unterrichtlichem Zeitaufwand einen bedeutsam höheren Beitrag zur Förderung von Systemkompetenz, sodass sie dem jeweils isolierten Einsatz der einen oder anderen Methode evidenzbasiert vorgezogen werden kann.
Die internationale Bildungs- und Qualitätsdiskussion in der Frühpädagogik beschäftigt sich mit der Frage, wie Bildungsprozesse von Kindergartenkindern gefördert werden können und inwieweit die Qualität des pädagogischen Handelns des Personals (Prozessqualität) Einfluss auf die Lernentwicklung der Kinder hat. Erzieher/innen, als sekundären Bezugspersonen der Kindergartenkinder, und ihrem professionellen Verhalten in ihrer beruflichen Tätigkeit gilt daher besonderes Augenmerk in der Forschung. Vor dem Hintergrund eines mangelnden Kenntnisstandes über Prozesse in deutschen Kindergärten ist in dieser durch drei empirische Teile aufgebaute Videostudie ein Beobachtungsinstrument entwickelt, angewendet und anschließend validiert worden. Ziel war es, die Handlungskompetenz ausgewählter Erzieherinnen in pädagogischen Angeboten im Kindergarten aus einer videobasierten Fremdperspektive erfassen und beschreiben zu können. Eingebettet ist diese explorative und längsschnittliche Fall- und Feldstudie mit ihrem Ansatz der erziehungswissenschaftlichen Videografie in das Professionalisierungskonzept des Klaus-Tschira-Kompetenzzentrums für frühe naturwissenschaftliche Bildung gGmbH, einem An-Institut der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Dort setzen sich Erzieher/innen in beruflichen Weiterbildungen mit naturwissenschaftlichen Phänomenen selbsttätig und reflexiv auseinander, um folglich im Sinne des pädagogischen Doppeldeckers Kindergartenkindern spielerisches Explorieren und Experimentieren in strukturierten pädagogischen Angeboten zu ermöglichen. In videogestützten Coachings reflektieren die frühpädagogischen Kolleg/innen ihr eigenes pädagogisches Handeln in diesen Umsetzungen und geben sich gegenseitig anhand von validierten Fragebögen eine Selbst- und Fremdeinschätzung in Bezug auf ihre Handlungskompetenz. Bei Handlungskompetenz handelt es sich um eine Teildimension des Konstrukts der Naturwissenschaftlichen Frühförderkompetenz (NFFK), die in einer Vorgängerstudie zur Basis des systematischen Professionalisierungskonzeptes von Erzieher/innen gemacht wurde. Mit der vorliegenden Anschlussstudie wurde die Definition von Handlungskompetenz aufgegriffen und operationalisiert. Das entwickelte dreiteilige Beobachtungsinstrument ermöglicht über einen Kodierleitfaden und ein Kodierregelungswerk Einschätzungen in Bezug auf verbale und nonverbale Aktivitäten der Erzieher/innen, die wiederum in Beziehung zu einer strukturellen Ebene wie z.B. Angebotsphasen und Sozialformen der pädagogischen Angebote gesetzt und in ihrer Ausprägung beschrieben werden können. Eine sogenannte Hermeneutische Zuordnung verknüpft über „Hermeneutische Brücken“ Kategorien auf der Handlungsebene mit den Indikatoren von Handlungskompetenz aus der Vorgängerstudie. Auf diese Weise ist eine normative Auswertungsbasis geschaffen, bei der die Aktivitäten der Erzieher/innen hinsichtlich ihrer Handlungskompetenz durch ein zugrunde gelegtes sozialkonstruktivistisches Bildungsverständnisses interpretiert werden können. Die Anwendung des Beobachtungsinstrumentes zeigt, dass sich die Erzieherinnen sowohl in Bezug auf die Gestaltung von Lernumgebungen (Sozialformen) als auch im Bereich der nonverbalen Aktivitäten in ihrer Handlungskompetenz über den Fortbildungszeitraum weiter entwickeln. Bei sprachlichen Aktivitäten konnte keine positive Veränderung in Bezug auf Handlungskompetenz beschrieben werden. Daher kann die Hypothese, dass Erzieher/innen durch das bisherige Fortbildungstreatment signifikant an Handlungskompetenz gewinnen, nur teilweise durch die vorliegende Studie gestützt werden. Insgesamt ist das Beobachtungsinstrument durch einen systematischen Vergleich zwischen den Selbsteinschätzungen der Pädagoginnen bzgl. Handlungskompetenz aus der Vorgängerstudie und den Fremdeinschätzungen durch das Beobachtungsinstrument überwiegend validiert worden. Durch eine Verknüpfung mit einer weiteren Vorgängerstudie, die die Lernprozesse der vier- bis sechsjährigen Kindergartenkinder aus denselben Kindergartengruppen untersucht hat, wird deutlich inwiefern Erzieher/innen durch ihr sprachliches Handeln Kindergartenkinder im Explorieren und Experimentieren aktivieren und fördern können. Relevant sind die Ergebnisse daher insbesondere bei der Förderung von Erzieher/innen im sprachlichen Bereich durch naturwissenschaftliche Aus- und Weiterbildungsangebote.
Satellitenbilder sind inzwischen fester Bestandteil unseres Alltags geworden: ob in der Wettervorhersage, in den Nachrichten oder der Erkundung des nächsten Urlaubsziels mit Google Earth. Auch in den Geo- und Umweltwissenschaften spielen Satelliten- und Luftbilder längst eine zentrale Rolle zur Analyse und Bewertung von globalen Umweltveränderungen. Die Nutzung von Satellitenbildern im Geographieunterricht wird daher inzwischen auch in den nationalen Bildungsstandards und vielen Lehr- und Bildungsplänen explizit vorgeschrieben, in der Praxis aber noch nicht flächendeckend umgesetzt. Es stellt sich somit die Frage, wie kompetent Schülerinnen und Schüler im Umgang mit Satellitenbildern sind, was sie aus ihnen „herauslesen“ können. Dieser Frage nach einer „Satellitenbild-Lesekompetenz“ widmet sich die vorliegende Arbeit. Basierend auf theoretischen Überlegungen zu Bildungsstandards und Kompetenzen, allgemeinen Ansätzen zum Lernen mit Bildern und zur Arbeiten mit Satellitenbildern wird ein theoriebasiertes Modell der Satellitenbild-Lesekompetenz entwickelt. Die Kompetenz Satellitenbilder zu analysieren, ist dabei in Anlehnung an die Kompetenzdefinition von Weinert (2001) und nur bezogen auf die kognitiven Anforderungen wie folgt definiert: durch die beim Individuum verfügbaren oder erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, wesentliche Elemente in Satellitenbildern der Erdoberfläche (Echt- und Falschfarben- Satellitenbilder) zu erkennen, ihre Beziehungen zueinander zu beschreiben sowie den Aussagewert (Potenziale und Grenzen) von Satellitenbildern zu erkennen und zu beurteilen. Das normative Kompetenzstrukturmodell setzt sich aus den zwei Dimensionen „Natürliches und indikatorisches Bildverstehen“ und „Darstellen und Beurteilen des Aussagewertes“ mit jeweils vier aufeinander aufbauenden Niveaustufen zusammen. In einem zweiten Schritt wird dieses Modell mithilfe eines Onlinefragebogens am Ende der Sekundarstufe I an Gymnasien in Baden-Württemberg empirisch überprüft. Weitere Forschungsfragen beziehen sich auf die bisherige Beschäftigung mit Satellitenbildern im schulischen wie privaten Kontext. Des weiteren wird der Zusammenhang zwischen bisheriger Satellitenbildnutzung und einer Satellitenbild-Lesekompetenz untersucht, ebenso wie Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in Bezug auf ihre bisherige Nutzung von Satellitenbildern und ihre Kompetenz, Satellitenbilder zu analysieren. Die statistische Auswertung der Kompetenzmodellierung erfolgt mithilfe der probabilistischen Item-Response-Theorie, die Beantwortung der Forschungsfragen auf Basis der klassischen Testtheorie.
Die Pilotstudie beschäftigt sich mit dem Einsatz von lebenden Insekten und anderen Wirbellosen als Unterrichtsmedium. Im schulischen Bereich wurde eine bestimmte Anzahl an ausgewählten Tieren, zum Beispiel Stab- und Gespenstschrecken, jeweils für mindestens ein halbes Jahr in den Unterricht von Grundschulen und der Sekundarstufe I und II eingebunden. Die Pflegeaufgaben wurden jeweils in die Verantwortung der Schüler übertragen. Mittels qualitativer Analyse wurden die Ergebnisse in den Bereichen Faszination, Aufmerksamkeit, Wissen über die Tiere, Kompetenz und die Genese objektspezifischer Interessen untersucht. Die Beschäftigung mit den Insekten wurden auch in die Ausbildung zukünftiger Lehrer an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg integriert. Auch eine Handreichung wurde zusammengestellt, um die Lehrer und Referendare beim schulischen Einsatz der lebenden Wirbellosen mit geeigneten Informationen und Materialien auszustatten. In einem dritten Bereich wurden unter anderem tropische Blattschneiderameisen im Unterricht eingesetzt. Durch die Beobachtung der Organisation des Ameisenvolkes erhalten die Besucher des außerschulischen Lernortes Deponie in Kaiserslautern einen Einblick in natürliche Nahrungsketten. Die Erkenntnisse werden daraufhin auf die Möglichkeiten des Recyclings biogener Hausabfälle übertragen.