Schriftenreihe der Pädagogischen Hochschule Heidelberg
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Ziel der diesem Buch zugrunde liegenden Ringvorlesung war es, sich mit der Fragestellung "Erziehung in der Schule" kritisch auseinander zu setzen. Durch verschiedene Annäherungsweisen an das Thema wurden Anhaltspunkte für die sich verändernden Gesellschaftsstrukturen herausgestellt und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Schule sowie auf die Lehreraus- und -weiterbildung diskutiert.
MUSS die Schule erziehen - weil die Eltern mit dieser Aufgabe zunehmende "überfordert" sind und die Schule die einzige Institution ist, die alle Kinder erreicht? Aber auch, weil in Schulgesetzen vom Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule die Rede ist?
KANN die Schule überhaupt erziehen - hat sie die dafür notwendigen Ressourcen und Einflussmöglichkeiten auf die Schülerinnen und Schüler oder ist das nur ein frommer Wunsch, der in Präambeln und Leitbildern steht, der aber keiner Realität entspricht?
DARF die Schule sich überhaupt anmaßen, die Kinder zu erziehen oder dringt sie damit in das angestammte Hoheitsgebiet der Eltern ein? Verstößt sie mit diesem Anspruch eventuell gar gegen Artikel 6, Abs. 2 des Grundgesetzes?
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Digitale Medien sind in den letzten Jahren fester Bestandteil der Lebenswelt, der Erinnerungskultur, aber auch des historischen Lernens geworden. Deshalb wirkt der Titel „Historisches Lernen im virtuellen Medium“ zunächst geläufig. Bei genauerer Betrachtung bedürfen die Schlüsselbegriffe aber einer Ausdifferenzierung. Beim „virtuellen Medium“ handelt es sich um unterschiedliche digitale Medien, die von Lernsoftware oder Computerspielen auf DVD bis hin zum Internet reichen. Hinter „dem Netz“, das sich in seiner jetzigen Ausprägung partizipativ und kommunikativ gibt, verbergen sich aber eine Vielzahl von – bisher noch kaum systematisierten – Anwendungen, die sich in ihrer Eigenart, ihrem Anspruch und in ihrer Rezeption
wesentlich voneinander unterscheiden. Bezogen auf den Gegenstand Geschichte sind dies beispielsweise große wissenschaftliche Portale wie HSozKult, die u.a. Rezensionen, Tagungsankündigungen und Möglichkeiten zu kontroverser Diskussion bieten. Das geschichtsdidaktische Portal www.lernen-aus-der-geschichte.de veröffentlicht eine thematisch ausgerichtete Onlinezeitschrift, den sog. Newsletter. Zeitzeugenarchive, virtuelle Museen wie das „Lebendige virtuelle Museum Online“ (LeMO), virtuelle historische Stadtrundgänge, Frage-Antwort-Portale auch mit historischen Fragen, Weblogs mit historischen Inhalten, Youtube-Filme und nicht zuletzt das Online-Lexikon Wikipedia weisen höchst unterschiedliche Charakteristika auf – sowohl was ihren Anspruch als auch ihre Nutzung betrifft. Nur einige der genannten Anwendungen verstehen sich als historischer Lernort, z.B. die virtuellen Museen, bei anderen steht das historische Lernen nicht im Vordergrund. Das virtuelle Medium gibt es also nicht, sondern die Vielzahl der unterschiedlichen Anwendungen muss differenziert charakterisiert und analysiert werden. Zumindest den Internetanwendungen gemeinsam ist deren Hypertextstruktur, ein Merkmal, das auch das Erzählen von Geschichte im Internet verändert. An die Stelle linearer „Meistererzählungen“, die einen bestimmbaren Anfang und Schluss haben, treten vermehrt Narrationen, deren Merkmale im situativen, assoziativen, multiperspektivischen Erzählen
mit offenen Enden und der Möglichkeit – aber nicht immer der Gegebenheit
– des sich Einklinkens auch von Laien bestehen. Diese situativen historischen Erzählungen betonen die Heterogenität und Diskontinuität einer offenen Geschichte, was die Orientierung mit deren Hilfe erschwert (vgl. Krameritsch 2010). Gleichzeitig treten im Internet viele „private“ Zeitzeugen auf, deren Erinnerungen nicht, z.B. durch eine wissenschaftliche Redaktion, „zertifiziert“ wurden. Sie gestalten auch viele Erinnerungsseiten, z.B. an Ereignisse oder Personen, so dass die Geschichtskultur im Netz viel stärker durch ein Nebeneinander von wissenschaftlichen, halbwissenschaftlichen, journalistischen und privaten Elementen bestimmt ist. Erinnerungen sind zwar per se virtuell und lassen sich nur an Erinnerungsobjekten wie Fotos „festmachen“, gleichwohl mischen sich in ihnen reale und fiktive Elemente, als dass erzählte Erinnerungen im Zeitverlauf ausgeschmückt und modifiziert werden. Die fiktiven Elemente enthalten dann die Verarbeitungen, medialen Überblendungen und Versicherungen der erinnernden Person. Schon dieses Verhältnis zeigt, dass real und fiktiv keinen Gegensatz darstellen, sondern Wirkliches und Nicht-Wirkliches aufeinander bezogen werden. Gleiches gilt für das virtuelle Medium, in dem z.B. Avatare nicht nur als
fiktiv, sondern in ihrer Gemeinsamkeit und Unterschiedlichkeit zu lebenden
Personen wahrgenommen werden.
Ob diese Eigenschaft auch von allen Rezipient/innen wahrgenommen wird, sei in Frage gestellt. Dies betrifft gerade auch Schüler/innen, die sich als sogenannte „digital Natives“ scheinbar mühelos der digitalen Medien bedienen, sich dabei aber häufig auf bestimmt Elemente wie Twitter oder soziale Netzwerke beschränken, von einer „historische Online-Kompetenz“, die z.B. eine kritische Haltung zu den Angeboten beinhaltet, aber noch weit entfernt sind. Gleichzeitig hat sich das schulische Arbeiten, z.B. im Hinblick auf Referate zu historischen Themen, verändert, insofern diese häufig aus Internetfunden bestehen, die aus dem immer verfügbaren Netz heruntergezogen werden. Auch über diese Veränderungen des historischen Lernens wird in diesem Band – und wahrscheinlich noch weit darüber hinaus – zu sprechen sein, gerade weil empirische Befunde dazu noch weitgehend fehlen.
Dieser Band „Historisches Lernen im virtuellen Medium“ dokumentiert die Ergebnisse einer im März 2009 an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg durchgeführten Tagung und enthält die überarbeiteten und teilweise erweiterten Vorträge der Tagung.
53
Die kulturelle Identitat jedes Menschen ist bedingt durch geographische, ethnische, moralische, ethische, religiöse, politische und historische Faktoren und den daraus resultierenden kulturellen Zugehörigkeiten. In unserer globalisierten Welt entstehen neue Kulturräume, denen ein prozesshaftes Kulturverständnis zu Grunde liegt und in deren Mittelpunkt nicht nur der kulturgebundene, sondern vor allem der kulturfähige Mensch steht. Um interkulturelle Begegnungen – sei es zwischen Angehörigen verschiedener Nationen, unterschiedlicher Geschlechter oder auch unterschiedlicher Unternehmenskulturen – fruchtbar gestalten zu können, muss das verantwortliche und kulturell sensibilisierte Individuum fähig sein, die eigene Prägung zu verstehen und zu hinterfragen und die Perspektive des Gegenübers zumindest zeitweilig einzunehmen. Es muss letztlich in der Lage sein, die eigene Wahrnehmung und Normalität in Frage zu stellen, um andere Konzepte neben den eigenen gelten zu lassen und sich ihnen ohne Vorbehalte zu nähern.
Schul- und Ausbildungssysteme haben heute die Aufgabe, jene interkulturelle kommunikative Kompetenz zu fördern, die Menschen befähigt, den komplexen Herausforderungen unserer Gesellschaft zu begegnen und in ihnen zu bestehen. Kultursensibilität und Kulturfähigkeit werden zur Voraussetzung für den gelungenen Umgang mit Differenzen zwischen unterschiedlichen Orientierungssystemen und können dem Missverstehen fremder Verhaltensweisen und den daraus resultierenden Konfliktsituationen vorbeugen.
Das Institut für Weiterbildung, das Akademische Auslandsamt, das Institut für Erziehungswissenschaft und das Institut für Fremdsprachen und ihre Didaktik der Pädagogischen Hochschule Heidelberg veranstalteten im Wintersemester 2007/2008 das 10. Heidelberger Dienstagsseminar, das sich diskursiv mit der Frage beschäftigte, wie sich Bildungseinrichtungen, Wirtschaftsunternehmen und der öffentliche Sektor den sich wandelnden Anforderungen einer zunehmend heterogenen Gesellschaftsstruktur stellen.
Mit dem vorliegenden Sammelband stellen wir die Ergebnisse vor.
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Bildung wird in jüngerer Zeit in der öffentlichen Diskussion immer mehr unter ökonomischen Verwertungsaspekten thematisiert. Sie wird als wichtige "Humanressource“ gesehen und soll sowohl zur Standortsicherung im globalen Wettbewerb beitragen, als auch dem reibungslosen Funktionieren der gesellschaftlichen Teilsysteme dienen.
Mit dem damit einhergehenden verengenden Verständnis von Bildung setzt sich das 9. Heidelberger Dienstagsseminar (2006/2007) auseinander, indem die Spannung zwischen der ursprünglichen Idee der Bildung – vornehmlich der Entfaltung von Individualität und Reflexivität – und den aktuellen gesellschaftlichen Erwartungen an das Bildungssystem in unterschiedlichen Facetten thematisiert werden. In ausgewählten Beiträgen werden differente Bezüge und Dimensionen von Bildung vergegenwärtigt und diskutiert. Die Autoren weiten so wieder angemessen den Horizont der Bildungsdiskussion gegen die vorherrschenden Verengungstendenzen der letzten Jahre.
Als gemeinsames Fazit lässt sich feststellen: Mehr noch als das Verfügen über bestimmte Wissensbestände zeichnet die „gebildete Persönlichkeit“ wohl bestimmte Haltungen zu diesem Wissen, aber auch zu sich selbst, zum Leben, zu ihren Mitmenschen, zur Gesellschaft, zur Vergangenheit und zur Zukunft aus.
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„Alles was zählt“ – unter diesem weitgespannten und umfassenden Motto steht das Wissenschaftsjahr 2008, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zum Jahr der Mathematik erklärt wurde. In diesem Zeitraum soll einer breiten Öffentlichkeit die Bedeutung von Mathematik als einer Jahrtausende alten, historisch gewachsenen und gerade in unseren Tagen aktuellen Wissenschaft vorgestellt werden.
Ein solcher Auftrag richtet sich auch an die Pädagogischen Hochschulen. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit findet schon seit einigen Jahren in der Mathematikdidaktik ein Paradigmenwechsel statt, der auf allen Stufen des Mathematikunterrichts bisher unbekannte Perspektiven eröffnet. Er zeigt sich einerseits in der methodischen Neugestaltung traditioneller Inhalte und in der Aufnahme innovativer Unterrichtsgegenstände in das Curriculum, andererseits in der bewußten Hinwendung zu größerer Selbsttätigkeit der Schüler und – damit verbunden – in der Entwicklung schülergemäßer Problemlösestrategien. Er wird erkennbar an verstärktem Einsatz technischer Medien im Unterricht und an fachübergreifenden und fächerverbindenden Fragestellungen. Er benutzt vielfältige, auch neuartige Methoden der Lernerfolgskontrolle und der Leistungsmessung – und er besinnt sich wieder auf die historische Entwicklung und auf die kulturgeschichtlichen Einflüsse von Mathematik.
Mit dem hier vorliegenden Band suchen wir den Dialog zwischen Schule und Hochschule, indem wir – für Lehrende und Lernende – mosaikartig und beispielhaft von solchen für den Unterricht relevanten, ihn neu ausrichtenden Veränderungen berichten.
In sechzehn Beiträgen beschreiben, unabhängig voneinander, neunzehn Autorinnen und Autoren methodische und systematische Projekte aus
• Arithmetik und Algebra
• Geometrie und Analysis
• Informatik und Geschichte,
die in enger Beziehung zum heutigen Mathematikunterricht stehen. Wir stellen damit ganz unterschiedliche mathematikdidaktische Entwürfe zu verschiedenen Schularten und -stufen vor: von der ersten bis zur zwölften Klasse, die wir – wobei eine solche Auswahl immer nur einen Teil des Curriculums berücksichtigen kann – um die Schlüsselworte
• kindgemäßer Anfangsunterricht
• problemorientierte Elementarmathematik
• computergestützte Anwendungen
• historische Wandlungen
gruppieren. In ihrer so erkennbaren Breite, und weil sich – beabsichtigt – die
Beiträge nach Konzeption und Diktion stark voneinander unterscheiden, fügen sie sich ein in ein buntes Mosaik moderner Schulmathematik.
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Das Werk beschreibt ein Forschungsprojekt, das im Auftrag der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung im Zeitraum von 2001 bis 2005 in der Rhein-Neckar-Region durchgeführt wurde. Es handelt sich um einen systemischen Forschungs- und Entwicklungsansatz, mit dem die unterrichtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Forderung Selbstgesteuerten Lernens der Schüler verändert wurden und die Auswirkungen dieser Maßnahmen durch die integrierte Begleitforschung evaluiert wurden. Die theoretischen und praktischen Überlegungen des Vorhabens basierten auf dem Konzept der „Professional Development School“, das sich durch eine enge Verbindung von Lehrerbildung, Forschung und Entwicklung mit der Zielstellung auszeichnet, die Qualität von Unterricht zu verbessern.
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Die Reformen im Bildungswesen der Bundesrepublik Deutschland haben den naturwissenschaftlichen Unterricht sehr betont in das öffentliche Bewusstsein geraten lassen. Es wurde die Frage aufgeworfen, was das Ergebnis der unterrichtlichen Bemühungen zum Aufbau des Verstehens der Naturwissenschaften ist, welchen Stellenwert wir einer naturwissenschaftlichen Bildung in der Gesellschaft beimessen sollten, welche Probleme für Schülerinnen und Schüler beim Lernen der Naturwissenschaften bestehen und welche Perspektiven sich für eine Weiterentwicklung im naturwissenschaftlichen Unterricht abzeichnen. Im Rahmen der an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg bestehenden Reihe der Dienstagsseminare wurden diese und weitere Fragen auf der Grundlage von Beiträgen unterschiedlicher namhafter wissenschaftlicher Disziplinen ausgiebig diskutiert. Dies geschah, um den Zusammenhang zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften zu klären, ganz konkret auf der fachdidaktischen Ebene von
Biologie, Chemie und Physik zur Frage, was im Klassenraum auf verschiedenen Altersstufen angeboten werden sollte und ebenso auf der Ebene der Lehrerbildung in Bezug auf die Ausbildungskonzeptionen für angemessen vorbereitete Lehrkräfte.
Die in diesem Band zusammengetragenen Aufsätze stellen einen Querschnitt von grundlegenden, aber auch spezifischen und differenzierten Überlegungen zu solchen Fragen dar.
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Eine Folge der Industrialisierungs- und Modernisierungsprozesse ist nicht nur die gesellschaftliche „Erfindung“, Definition und Anerkennung einer besonderen Jugendzeit, sondern etwa seit dem 19. Jahrhundert auch zweifellos die kontinuierliche Ausweitung dieser Lebensphase. Dabei entstanden vor allem in den letzten hundert Jahren für diese Altersgruppe besondere soziale Räume, die sich im historischen Rückblick teils als relativ geschlossene, teils als eher offene Lebensbereiche darstellen. Jugendliche und Heranwachsende können und konnten sich hier nicht nur in quasi gesellschaftlicher Funktionalität oder in dezidiert pädagogischer Absicht entfalten und auf ihr nachfolgendes Erwachsenenleben vorbereiten, sondern auch – wenngleich mit unterschiedlichen gesellschaftlich-politischen Toleranzmargen – in vielfältiger Weise selbst gestaltend eigene soziale und kulturelle Mikrokosmen schaffen und pflegen.
In den Sozialwissenschaften wurden diese „eigenen Welten“ lange Zeit als jugendliche Teil- oder Subkulturen beschrieben, die nach der berühmten Umschreibung des amerikanischen Soziologen Robert R. Bell jeweils „ein relativ kohärentes System...innerhalb des Gesamtsystems unserer nationalen Kultur“ bilden: „Solche Subkulturen entwickeln strukturelle und funktionale Eigenheiten, die ihre Mitglieder in einem gewissen Grade von der übrigen Gesellschaft unterscheiden“ (Bell 1965, S. 83). Real existieren hiernach solche Teil- oder Subkulturen in den Peergruppen der Heranwachsenden mit ihren spezifischen Normen, Werten und Orientierungsmustern und erfüllen dort als Statuspassage zwischen Kindheit und den sozialen Rollenanforderungen der Erwachsenenwelt die gesellschaftliche Funktion einer letztlich integrativen Übergangsregulierung (Parsons 1942). Andererseits wurden diese Kulturen der Gleichaltrigen mit ihren typischen Verhaltensmustern und Symbolen, ihrer teilweise zwanghaften Gruppenkonformität und Opposition gegenüber den Erwartungen und Autoritäten der Erwachsenengesellschaft sowie einer (aus Erwachsenensicht) oft unrealistischen Verherrlichung emotional bedeutsamer Objekte (Parsons 1950) als gesellschaftlich riskante Problemzonen verstanden, die unter bestimmten Bedingungen dann auch mehr
oder weniger heftige Konflikte untereinander und zwischen den Generationen auszulösen in der Lage sind. Dementsprechend thematisierte Subkulturforschung bis etwa 1975 insbesondere die Ambivalenz zwischen jugendlicher
Integration in gesellschaftlich kompatiblen Teilkulturen und jugendlichem
Protest und Widerstand in partiell oder total gegenkulturellen Entwürfen. Methodologisch verstand sie sich dabei vor allem als „Ethnologie im eigenen Land“ bzw. als „intrakulturelle Erforschung des Fremden“ (Griese 2000, S. 39).
Aus heutiger Sicht sind diese Definitionsversuche und die daraus resultierenden Forschungsperspektiven insofern ungenügend, als jugendliches Verhalten weder damals noch gegenwärtig sich empirisch als homogen erweist. Es muss nicht nur in komplexer Abhängigkeit von differenzierenden Variablen wie Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft, Schulbildung, Berufswahl usw. betrachtet werden, sondern auch unter den Aspekten ökonomischer und politischer Rückkopplungen. In vielfältiger Weise sind ja de facto Jugendliche und Heranwachsende durch Ausbildung und Lernen wirtschaftlich und sozial abhängig, d. h. auch weitgehend über Familien- und Bildungssystem existentiell in der Gesamtgesellschaft verortet, so dass sich
kulturelle Kreativitäten und Identitäten primär im Freizeitbereich entfalten (können). Die tatsächliche strukturbildende Bedeutung bestimmter Merkmalszusammenhänge erscheint somit keineswegs eindeutig geklärt und das etwas unscharfe Konzept der Teilkultur oder die Fixierung jugendsoziologischen Denkens auf die Idee gesonderter Subkulturen erweist sich als zu sehr mit der Gefahr einer vorschnellen Generalisierung verbunden (Henecka 1973, S. 102). Hinzu kommt, dass nicht nur zunehmend der intergesellschaftliche Charakter jugendlicher Mikrokosmen und deren kulturindustrielle und massenmediale Abhängigkeiten offenkundig wurde, sondern auch die alltagspraktische Bedeutung dieser Bezugssysteme und -gruppen sich für die Jugendlichen selbst immer variantenreicher gestaltete und nicht zuletzt auch unter dem Aspekt subjektiver Zurechnung Jugendlicher zu verschiedenen, teilweise sogar ineinander übergehender Gruppen, Szenen oder Stilen sich offener und vielfach unverbindlicher entwickelte.
Offensichtlich sind in den letzten Jahrzehnten für Jugendliche und Heranwachsende plurale und den Beobachter in ihrer Unübersichtlichkeit häufig verwirrende Kommunikations- und Handlungsfelder entstanden, so dass es nahe lag, diese eigentlich stets aktuelle Thematik als Gegenstand des alljährlich im Wintersemester an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg stattfindenden fächerübergreifenden Heidelberger Dienstagsseminars zu wählen. Unter dem Titel „Jugendkulturen“ wurde deshalb im Wintersemester 2003/04 Heidelberger Studierenden aber auch der interessierten Öffentlichkeit eine interdisziplinare Ringvorlesung angeboten, deren zentrale Vorträge in dem vorliegenden Band versammelt sind. Die öffentliche Ringvorlesung fand in Kooperation mit dem Erziehungswissenschaftlichen Seminar der Universität Heidelberg und dem Verband der Badischen Sportjugend Karlsruhe statt und wurde von hochschulinternen und -externen Experten bestritten.
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Innovativ Schule entwickeln : Kompetenzen, Praxis und Visionen ; 7. Heidelberger Dienstagsseminar
(2006)
Der vorliegende Band ist aus einzelnen Beiträgen des 7. Heidelberger Dienstagsseminars mit dem Titel „Schule entwickeln ... Visionen, Strukturen, Prozesse, Kompetenzen“ entstanden. In Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg und der Schulverwaltung hat die Pädagogische Hochschule Heidelberg ein breites, umfassendes Veranstaltungsprogramm entwickelt, das aktuelle Ansätze der Schulentwicklung widerspiegelt. Eingeladen zur Veranstaltungsreihe waren in erster Linie Studierende der Pädagogischen Hochschule und der Universität Heidelberg, Kolleginnen und Kollegen, die im pädagogischen Feld tätig sind sowie die interessierte Öffentlichkeit. Ziel war es, über die drängenden Fragen im Bereich der Schulentwicklung miteinander ins Gespräch zu kommen und vielseitige Anregungen für das Leben und die Arbeit in Bildungseinrichtungen zu vermitteln.
Mit dem Titel Innovativ Schule entwickeln wollen wir deutlich machen, dass unser Bildungswesen in Bewegung geraten ist, Modernisierungen in Gang gekommen sind und dennoch weitere Entwicklungsschritte dringend anstehen. Innovative Konzepte liegen dazu vor. Sie orientieren sich an der Idee des Prozesses vom lebenslangen Lernen und weitergehend in der Perspektive, die Beteiligten aktiv in die Konzepte und in die Realisation einzubeziehen. Welche Chance die Referenten für die Schule und unser Bildungssystem sehen, werden in den einzelnen Beiträgen dargelegt.