Refine
Year of publication
- 2024 (2)
Document Type
- Doctoral Thesis (2)
Language
- German (2)
Has Fulltext
- yes (2)
Is part of the Bibliography
- no (2)
Keywords
- Bildungsfachkräfte (1)
- Emotionsausdruck (1)
- Forschungsethik (1)
- Lebensqualität (1)
- Lehramtsstudium (1)
- Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung (1)
- Mixed Methods (1)
- Physiologie (1)
- Physiologische Daten (1)
- Schwere Behinderung (1)
Emotionen sind ein fundamentaler Bestandteil unseres menschlichen Wesens und beeinflussen maßgeblich unser Denken, Lernen und Handeln. Dabei prägen Emotionen unsere Beziehungen, unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und auch unsere Lebensqualität. Als essenzieller Bestandsteil zwischenmenschlicher Kommunikation und emotionaler Entwicklung spielt die emotionale Kompetenz (d. h. die Fähigkeiten sowohl eigene Emotionen zu regulieren und auszudrücken als auch Emotionen des Gegenübers zu erkennen, entsprechend zu interpretieren und darauf adäquat zu reagieren) eine entscheidende Rolle.
In der Interaktion mit Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung gestaltet sich das gegenseitige emotionale Verstehen herausfordernd, da diese meist weder verbal noch mit anderen subsidiären Kommunikationsmöglichkeiten Emotionen anderer kommentieren noch eigene Emotionen äußern können. Dementsprechend fällt dem Umfeld eine essenzielle und herausfordernde Rolle zu, da u. a. der Emotionsausdruck des Gegenübers mit schwerer und mehrfacher Behinderung anhand des Verhaltens interpretiert und dementsprechend reagiert werden muss. Studien im Kontext dieses Personenkreises und der Emotionsforschung sind allerdings trotz insgesamt steigender empirischer Forschungsbemühungen nur partiell vorhanden. Ein Grund liegt u. a. in den forschungsethischen Herausforderungen, die sich beim Einbezug dieser Zielgruppe in Forschungsvorhaben stellen.
Die vorliegende Dissertation greift mit der Analyse des Emotionsausdrucks von Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung als forschungsethische Herausforderung und Indikator für Lebensqualität die zuvor skizzierten Themen- und Forschungsfelder (d. h. Lebensqualität, Forschungsethik, Emotionen, Forschungsmethoden, Zielgruppe) auf. Als theoretische Arbeiten widmeten sich Publikation I der Darstellung des aktuellen Forschungsstands zur Lebensqualität des Personenkreises (Forschungsfrage I) und Publikation II der Diskussion forschungsethischer Herausforderungen und Lösungsansätze beim Einbezug der Zielgruppe in Forschung (Forschungsfrage II). Als empirische Arbeiten untersuchten die Publikationen III und IV den Emotionsausdruck von Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung anhand der expressiven (d. h. Mimik, Gestik, Körperhaltung und Vokalisationen) sowie physiologischen Emotionskomponente (d. h. Hautleitwert, Herzfrequenz(-variabilität) und Bewegungsaktivität) und thematisierten die dadurch entstehenden Konsequenzen für pädagogische Szenarien (Forschungsfrage III).
Forschungsfrage I wurde durch die Zusammenstellung (inter-)nationaler Studien zur Lebensqualität der Zielgruppe adressiert. Verschiedene Möglichkeiten zur Annäherung an Lebensqualität (d. h. die direkte Interaktion, stellvertretende Befragungen, Verhaltensbeobachtungen und technikgestützte Ansätze) wurden identifiziert. Es zeigten sich Fortschritte, aber weiterhin Handlungsbedarf in verschiedenen Lebensbereichen bzgl. der Verbesserung der Lebensqualität. Besonders wichtig erschien die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche einer Person mit schwerer und mehrfacher Behinderung, um sie aktiv in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.
Mit Forschungsfrage II wurden die forschungsethischen Reflexionsaspekte beim Einbezug der Zielgruppe in Forschung untersucht. Vier Leitfragen zu Forschungsbegründung, Einwilligungsmöglichkeiten, Sicherstellung von Schutz und Wohlergehen sowie Ergebnisbewertung und -kommunikation wurden herausgearbeitet. Bestehende Herausforderungen wurden identifiziert, und Lösungsansätze – veranschaulicht am eigenen Forschungsvorgehen – präsentiert. Demnach wird als Zielsetzung für Forschung empfohlen, diese forschungsethischen Aspekte im Kontext schwerer und mehrfacher Behinderung zu wahren und gleichzeitig die Zielgruppe an Forschung(sergebnissen) teilhaben zu lassen.
Forschungsfrage III wurde in kontrollierten Einzelfallstudien nachgegangen und der Emotionsausdruck von Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung analysiert. Dabei ermöglichten die Emotional Profiles der Teilnehmenden die Unterscheidung der Emotionsausdrücke anhand von Verhaltenssignalen. Die mittels Wearable gemessenen physiologischen Parameter wurden mit statistischen Analysen und maschinellem Lernen untersucht. Diverse Studienergebnisse der Emotionsforschung konnten bestätigt werden. Die vielversprechendsten Ergebnisse wurden bei der emotionalen Erregung erreicht. Demnach ist der Einbezug physiologischer Parameter ein gewinnbringender Ansatz zur Analyse emotionaler Reaktionen bei dieser Zielgruppe. Abschließend wurden darauf basierende pädagogische Implikationen explorativ diskutiert.
Aufbauend auf den in dieser Arbeit erbrachten forschungsethischen und -methodischen sowie empirisch-inhaltlichen Erkenntnissen sollte zukünftige Forschung die Themen Lebensqualität und emotionale Kompetenz im Kontext schwerer und mehrfacher Behinderung durch längerfristige und in den Alltag integrierte Studien weiter im Fokus behalten.
Im Kontext zunehmender Heterogenität in der Bildungslandschaft ist die Professionalisierung von Lehramtsstudierenden für inklusiven Unterricht ein Ziel vieler hochschulischer Lehrangebote. Auch Bildungsangebote, die Bildungsfachkräfte an Hochschulen ausbringen, fokussieren diese Zielsetzung. Bildungsfachkräfte sind Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, die nach ihrer Tätigkeit an einer Werkstatt für behinderte Menschen eine dreijährige Vollzeitqualifizierung durchlaufen haben. Im Rahmen der Bildungsangebote stellen die Bildungsfachkräfte ihre reflektierten Erfahrungen mit Inklusion und Exklusion dar und regen einen Austausch mit den Lehramtsstudierenden an. Bislang liegen nur vereinzelt Studien dazu vor, auf welche Weise und inwieweit diese Bildungsangebote auf Lehramtsstudierende wirken. Die vorliegende Untersuchung kommt diesem Desiderat mit einem Mixed-Methods-Design nach: In zwei quantitativen quasi-experimentellen Teilstudien wurden Prä- und Post-Erhebungen durchgeführt (Teilstudien I und III). Die Erhebungen fanden vor und nach einem Bildungsangebot (Experimentalgruppe) bzw. einem regulären Lehrangebot zum Thema Inklusion (Vergleichsgruppe) statt. In Teilstudie I (N = 120) wurden Sichtweisen zu Inklusion und Menschen mit Behinderungen erhoben. Es zeigte sich, dass sich die impliziten Einstellungen zu Inklusion nach Besuch eines Bildungsangebots (n = 53) positiver entwickeln als in der Vergleichsgruppe (n = 67). Darüber hinaus wurden in einer qualitativen Studie (Teilstudie II) offene Fragen (n = 60), Fokusgruppeninterviews (n = 13) und Einzelinterviews (n = 5) eingesetzt, um insgesamt 78 Lehramtsstudierende über die Wirkungen der Bildungsangebote von Bildungsfachkräften zu befragen. Über eine qualitative Inhaltsanalyse konnten drei Kategorien mit mehreren Subkategorien herausgearbeitet werden: (1) Soziale Kompetenzen (z.B. Perspektivübernahme), (2) Sichtweisen auf Inklusion und Menschen mit Behinderungen (z.B. Selbstreflexion) und (3) berufsbezogene Kompetenzen (z.B. Verhaltensintention als Lehrkraft). In der abschließenden Teilstudie III (N = 57) wurden Procedere und Untersuchungsinstrument entsprechend den Ergebnissen aus den vorherigen Studien angepasst, indem Sichtweisen zu Inklusion und Menschen mit Behinderungen, die Sicherheit im Umgang mit ihnen und lehramtsbezogene Überzeugungen sowie die subjektive Einschätzung des Lernertrags erfasst wurden. Es wurden positive Wirkungen auf explizite Einstellungen zu Inklusion bei der Experimentalgruppe gemessen und der Lernertrag der Bildungsangebote subjektiv als positiv eingeschätzt. Die Ergebnisse stützen die Annahme, dass Bildungsangebote von Bildungsfachkräften einen Beitrag zur Kompetenzentwicklung von Lehramtsstudierenden im Rahmen der Professionalisierung für Inklusion leisten.