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Theoretischer Hintergrund
Die Zahl unreif geborener Kinder hat in den vergangenen Jahren durch die steigende Überlebenschance extrem unreif geborener Kinder und die Einrichtung von Perinatalzentren in Deutschland zugenommen. Studien haben gezeigt, dass die weitere Entwicklung der unreif geborenen Kinder mit einer Gefährdung der körperlichen Entwicklung und entwicklungspsychologischen Risiken einhergeht. Bisherige wissenschaftliche Untersuchungen zu vorsprachlicher Kommunikation und sprachlichen Fähigkeiten der unreif geborenen Kinder sind unzureichend, um spezifische, auch präventive Interventionsprogramme ableiten zu können.
Ziel
Ziel der Studie ist es herauszufinden, ob bei unreif geborenen Kinder wechselseitige Abstimmungsprozesse und kommunikative Verhaltensweisen als Prädiktoren für die weitere Sprachentwicklung genutzt werden können und somit eine Interaktionsanalyse für die Praxis einen Mehrwert gegenüber herkömmlichen diagnostischen Verfahren, wie Entwicklungstests, hat.
Methode
An der Untersuchung nahmen 27 monolingual deutsche Mutter-Kind-Paare teil (Gruppe der unreif geborenen Kinder: 13 Mutter-Kind-Paare, durchschnittliches Gestationsalter der Kinder 28 Schwangerschaftswochen, durchschnittliches Geburtsgewicht 1022g, Kontrollgruppe: 14 Mutter-Kind-Paare, durchschnittliches Gestationsalter der Kinder 39 Schwangerschaftswochen, durchschnittliches Geburtsgewicht 3530g). Die Datenerhebung fand an zwei Messzeitpunkten bei den Familien zu Hause statt. Am ersten Messzeitpunkt im (korrigierten) Alter der Kinder von zwölf Monaten wurden die (vor-)sprachlichen kommunikativen Fähigkeiten von Mutter und Kind anhand einer videobasierten differenzierten Interaktionsanalyse von drei je zehnminütigen Interaktionssequenzen erhoben. Zudem wurde der kindliche Entwicklungsstand anhand der Griffiths Entwicklungsskalen ermittelt. Am zweiten Messzeitpunkt im (korrigierten) Alter von 24 Monaten wurde der Sprachstand der Kinder mittels des SETK-2 erfasst.
Ergebnisse
Die Studie zeigt, dass in der Gruppe der unreif geborenen Kinder die Dauer der Situationen geteilter Aufmerksamkeit in der Sequenz Symbolspiel im Alter von zwölf Monaten signifikant und stark mit dem produktiven Sprachwert im Alter von 24 Monaten korreliert (r (10) = .656, p ≤ .01). Das Herstellen von Situationen geteilter Aufmerksamkeit gelingt dabei unabhängig von der mütterlichen Stressbelastung, dem medizinischen Risiko bei Geburt und dem kindlichen Entwicklungsquotienten. Eine große Effektstärke war in der kumulativen Untersuchung des Einflusses von Frühgeburt, mütterlicher Belastung und Dauer von Situationen geteilter Aufmerksamkeit zu finden (F (1, 27) = 4.5, p ≤ .1, ŋ2 = .530). Nicht der Entwicklungsquotient gesamt sondern nur die Unterskalen Persönlich-Sozial und Leistung korrelieren mit den sprachlichen Fähigkeiten im Alter von 24 Monaten (Persönlich-Sozial: Produktion von Wörtern (r (10) = .705, p ≤ .01) und Produktion von Sätzen (r (10) = .730, p ≤ .01), Leistung: Produktion von Wörtern (r (10) = .686, p ≤ .01)). Die Anwendung dieser Teilskalen der Griffiths Entwicklungsskalen ermöglicht daher zwar eine Vorhersage späterer sprachlicher Leistungen, erlaubt jedoch keine konkrete Therapie- oder Beratungsplanung.
Die produktiven sprachlichen Fähigkeiten im Alter von zwei Jahren waren bei den unreif geborenen Kindern signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe (SETK-2 Produktion II: p=0.04).
Schlussfolgerung
Es konnte belegt werden, dass ein Zusammenhang zwischen der Dauer der Situationen geteilter Aufmerksamkeit in der Mutter-Kind-Interaktion und der weiteren produktiven Sprachentwicklung besteht. Aus einer Interaktionsbeobachtung können daher konkrete Inhalte für die Beratung von Müttern unreif geborener Kinder sowie Förderungs- und Therapieinhalte abgeleitet werden. Die Interaktionsbeobachtung hat somit einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Durchführung eines allgemeinen Entwicklungstests wie den Griffiths Entwicklungsskalen.
Um allgemein gültige Aussagen treffen zu können, müsste die Untersuchung jedoch an einer größeren und eventuell bezüglich des mütterlichen Bildungsniveaus risikogefährdeteren Stichprobe wiederholt werden. Dabei wäre es sinnvoll, eine in ihrer Kodierkomplexität reduzierte Version der Interaktionsbeobachtung zu erproben, um eine für die Praxis taugliche Variante zu entwickeln.
In Kinderkrippen liegen zwischen den verschiedenen Aktivitäten des Tagesablaufs immer wieder kleine Übergänge, die sogenannten Mikrotransitionen. Diese Mikrotransitionen sind komplexe soziale Situationen, in denen vielfältige Interessen und Bedürfnisse von Kindern und pädagogischen Fachkräften miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Die häufige Wiederholung der Mikrotransitionen, ihr Bildungspotential, ihre Rolle bei der Rhythmisierung des Tagesablaufs und ihre große Bedeutung für die Atmosphäre innerhalb der Kindergruppe machen es notwendig, ihre Gestaltung sorgfältig zu planen und zu reflektieren.
Hierfür soll die vorliegende Studie einen wissenschaftlich fundierten Beitrag liefern.
Genutzt wird ein eigens entwickeltes Schema zur Analyse videografierter Mikrotransitionen, welches anhand von Videobeobachtungen in einer Kinderkrippe induktiv erstellt wurde. Die anschließend beim weitergehenden Einsatz des Analyseschemas aus dem Videomaterial gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage für die Entwicklung eines Reflexionsinstruments. Resultat ist ein mehrschrittiges Verfahren mit Arbeitsanweisungen, welches in der vorliegenden Arbeit vorgestellt wird und pädagogische Fachkräfte dabei leiten soll, die Gestaltung der Mikrotransitionen in ihrer Kita systematisch zu reflektieren und Optimierungsansätze zu entwickeln.
Mütter ohne Migrationshintergrund und Mütter mit türkischem Migrationshintergrund, die ein Kleinkind mit oder ohne (drohende) Behinderung erziehen, wurden zu ihren gemeinsamen Alltagsaktivitäten und ihren mütterlichen Erziehungseinstellungen, ihren mütterlichen Ressourcen und zu ihrem mütterlichen Belastungserleben befragt. Es zeigten sich kaum Unterschiede in den geprüften Variablen. Der Faktor des türkischen Migrationshintergrundes wirkte sich dennoch stärker auf die geprüften Variablen aus als der Faktor der (drohenden) Behinderung. Diesbezüglich maßen die Mütter mit türkischem Migrationshintergrund eines Kindes mit (drohender) Behinderung der sozialen Integration eine höhere Bedeutung bei als die Mütter ohne Migrationshintergrund. Zwischen den deutschen Müttern und den Müttern mit türkischem Migrationshintergrund eines altersgemäß entwickelten Kindes zeigten sich darüber hinaus signifikante Unterschiede in der mütterlichen Selbstwirksamkeit, in der alltäglichen Stressbelastung sowie in der Partnerschaftsbelastung. Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sprechen für unterschiedliche Zusammenhangsmuster. In der Gruppe der Mütter mit türkischem Migrationshintergrund eines Kindes mit (drohender) Behinderung erwies sich die Zufriedenheit mit der Förderung des Kindes durch die Fachkräfte der Frühförderung als wichtigster Einflussfaktor auf die alltägliche Stressbelastung und die depressive Stimmungslage. Implikationen für die Praxis der Frühförderung werden diskutiert.
Hintergrund: Der Schlaganfall ist eine der Erkrankungen, die weltweit die höchste Sterblichkeit oder
dauerhaft schwere Behinderungen verursacht. Eine resultierende Hemiparese kann die Ausübung der Aktivitäten des täglichen Lebens und die Partizipation am gesellschaftlichen Leben erschweren. Die Spiegeltherapie wurde erstmals vor circa 25 Jahren für den Einsatz bei Hemiparese nach einem Schlaganfall beschrieben. Ein erstes systematisches Review mit Meta-Analyse wurde hierzu im Jahr 2012 veröffentlicht. Der Effekt einer zusätzlichen Spiegeltherapie auf die motorische Funktion konnte belegt werden. Allerdings wurde die exakte Durchführung der Spiegeltherapie nicht konsequent beschrieben und ist über die Studien hinweg nicht einheitlich.
Methode: Zunächst wurde eine aktualisierende Darstellung der bestehenden Evidenz zum Einsatz
der Spiegeltherapie im Hinblick auf die Verbesserung der Bewegungsfähigkeit nach einem Schlaganfall anhand eines systematischen Reviews mit Meta-Analyse durchgeführt. Mittels dieser Evidenz wurden nachfolgend die Gestaltungsvarianten der Spiegeltherapie für die obere Extremität quantitativ analysiert. Im Weiteren wurde ein Handbuch für Anwender*innen zur standardisierten Durchführung und Dokumentation der Spiegeltherapie bei Parese der oberen Extremität zur Verbesserung der Bewegungsfähigkeit erarbeitet. Dieses beruhte auf der Optimierung eines Therapieprotokolls, welcher eine Evaluation der Vorversion vorausgegangen war.
Ergebnisse: Die aktuelle Evidenz zeigte statistisch signifikante Effekte der Spiegeltherapie auf die
Bewegungsfähigkeit als zusätzliche Anwendung. Ein Einfluss der Gestaltungsvarianten auf den Effekt
der Bewegungsfähigkeit der oberen Extremität konnte aufgezeigt werden. Es zeigten sich größere statistisch signifikante Effekte, wenn die Spiegeltherapie mit einem großen Spiegel, unilateral und ohne den Einsatz von Objekten durchgeführt wurde. Das BeST – Berliner Spiegeltherapieprotokoll folgt einer standardisierten Durchführung und Dokumentation. Es integriert die drei Gestaltungsparameter und die Grundprinzipien motorischen Lernens.
Diskussion: Es wurde eine hohe Heterogenität festgestellt. Weitere Untersuchungen sollten daher die profitierende Studienpopulation, das Therapiesetting und die Therapiedurchführung in den Fokus setzen. Darüber hinaus werden Studien benötigt, die die Spiegeltherapie, routinemäßig angewendeten Therapiekonzepten gegenüberstellen. Die Standardisierung bietet Raum für weitere Entwicklungen, zum Beispiel im Bereich von Eigentrainings oder von technischen Lösungen.
Obwohl die Bedeutung der Eltern-Kind-Beziehung für die kindliche Entwicklung vielfach belegt wurde, ist erst wenig darüber bekannt, inwieweit Charakteristika in der Entwicklung und im Verhalten eines Kindes zu spezifischen Anpassungsleistungen im elterlichen Interaktionsverhalten führen. Ausgehend von dieser Überlegung wurde in einer Vergleichsstudie mittels videogestützter Beobachtung der Frage nach syndromspezifischen Anpassungsleistungen nachgegangen. Dazu wurden verschiedene Situationen (angeleitetes Spiel, Freispiel und Aufforderungssituation) von je 11 Müttern und ihren Kindern mit Fragilem-X-Syndrom, Müttern und ihren Kindern mit Down-Syndrom und Müttern und ihren Kindern ohne Behinderung aufgenommen und mit Hilfe eines Kategoriensystems und dem Rating-Verfahren PICCOLO (Roggmann et al., 2013) analysiert. Darüber hinaus wurde das Belastungserleben der Mütter untersucht. Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass Mütter von Kindern mit Fragilem-X-Syndrom in höherem Maße lenkende und restriktive Verhaltensweisen zeigen. Diese sind mit einer geringeren Aufmerksamkeit und höheren Impulsivität auf Seiten der Kinder assoziiert. Mütter von Kindern mit Down-Syndrom zeigen in ihrem Interaktionsverhalten tendenziell ein höheres Maß an Hilfen zur Emotionsregulation. Ferner lassen sich signifikante Zusammenhänge zwischen höheren Belastungswerten der Mütter und einem weniger responsiven und unterstützenden sowie stärker kontrollierenden Interaktionsverhalten feststellen. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass Mütter von Kindern mit Fragilem-X-Syndrom und Mütter von Kindern mit Down-Syndrom in der Interaktion mit ihren Kindern Anpassungsleistungen zeigen, die sich auf den Verhaltensphänotyp der Kinder zurückführen lassen.