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Emotionen sind ein fundamentaler Bestandteil unseres menschlichen Wesens und beeinflussen maßgeblich unser Denken, Lernen und Handeln. Dabei prägen Emotionen unsere Beziehungen, unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und auch unsere Lebensqualität. Als essenzieller Bestandsteil zwischenmenschlicher Kommunikation und emotionaler Entwicklung spielt die emotionale Kompetenz (d. h. die Fähigkeiten sowohl eigene Emotionen zu regulieren und auszudrücken als auch Emotionen des Gegenübers zu erkennen, entsprechend zu interpretieren und darauf adäquat zu reagieren) eine entscheidende Rolle.
In der Interaktion mit Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung gestaltet sich das gegenseitige emotionale Verstehen herausfordernd, da diese meist weder verbal noch mit anderen subsidiären Kommunikationsmöglichkeiten Emotionen anderer kommentieren noch eigene Emotionen äußern können. Dementsprechend fällt dem Umfeld eine essenzielle und herausfordernde Rolle zu, da u. a. der Emotionsausdruck des Gegenübers mit schwerer und mehrfacher Behinderung anhand des Verhaltens interpretiert und dementsprechend reagiert werden muss. Studien im Kontext dieses Personenkreises und der Emotionsforschung sind allerdings trotz insgesamt steigender empirischer Forschungsbemühungen nur partiell vorhanden. Ein Grund liegt u. a. in den forschungsethischen Herausforderungen, die sich beim Einbezug dieser Zielgruppe in Forschungsvorhaben stellen.
Die vorliegende Dissertation greift mit der Analyse des Emotionsausdrucks von Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung als forschungsethische Herausforderung und Indikator für Lebensqualität die zuvor skizzierten Themen- und Forschungsfelder (d. h. Lebensqualität, Forschungsethik, Emotionen, Forschungsmethoden, Zielgruppe) auf. Als theoretische Arbeiten widmeten sich Publikation I der Darstellung des aktuellen Forschungsstands zur Lebensqualität des Personenkreises (Forschungsfrage I) und Publikation II der Diskussion forschungsethischer Herausforderungen und Lösungsansätze beim Einbezug der Zielgruppe in Forschung (Forschungsfrage II). Als empirische Arbeiten untersuchten die Publikationen III und IV den Emotionsausdruck von Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung anhand der expressiven (d. h. Mimik, Gestik, Körperhaltung und Vokalisationen) sowie physiologischen Emotionskomponente (d. h. Hautleitwert, Herzfrequenz(-variabilität) und Bewegungsaktivität) und thematisierten die dadurch entstehenden Konsequenzen für pädagogische Szenarien (Forschungsfrage III).
Forschungsfrage I wurde durch die Zusammenstellung (inter-)nationaler Studien zur Lebensqualität der Zielgruppe adressiert. Verschiedene Möglichkeiten zur Annäherung an Lebensqualität (d. h. die direkte Interaktion, stellvertretende Befragungen, Verhaltensbeobachtungen und technikgestützte Ansätze) wurden identifiziert. Es zeigten sich Fortschritte, aber weiterhin Handlungsbedarf in verschiedenen Lebensbereichen bzgl. der Verbesserung der Lebensqualität. Besonders wichtig erschien die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche einer Person mit schwerer und mehrfacher Behinderung, um sie aktiv in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.
Mit Forschungsfrage II wurden die forschungsethischen Reflexionsaspekte beim Einbezug der Zielgruppe in Forschung untersucht. Vier Leitfragen zu Forschungsbegründung, Einwilligungsmöglichkeiten, Sicherstellung von Schutz und Wohlergehen sowie Ergebnisbewertung und -kommunikation wurden herausgearbeitet. Bestehende Herausforderungen wurden identifiziert, und Lösungsansätze – veranschaulicht am eigenen Forschungsvorgehen – präsentiert. Demnach wird als Zielsetzung für Forschung empfohlen, diese forschungsethischen Aspekte im Kontext schwerer und mehrfacher Behinderung zu wahren und gleichzeitig die Zielgruppe an Forschung(sergebnissen) teilhaben zu lassen.
Forschungsfrage III wurde in kontrollierten Einzelfallstudien nachgegangen und der Emotionsausdruck von Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung analysiert. Dabei ermöglichten die Emotional Profiles der Teilnehmenden die Unterscheidung der Emotionsausdrücke anhand von Verhaltenssignalen. Die mittels Wearable gemessenen physiologischen Parameter wurden mit statistischen Analysen und maschinellem Lernen untersucht. Diverse Studienergebnisse der Emotionsforschung konnten bestätigt werden. Die vielversprechendsten Ergebnisse wurden bei der emotionalen Erregung erreicht. Demnach ist der Einbezug physiologischer Parameter ein gewinnbringender Ansatz zur Analyse emotionaler Reaktionen bei dieser Zielgruppe. Abschließend wurden darauf basierende pädagogische Implikationen explorativ diskutiert.
Aufbauend auf den in dieser Arbeit erbrachten forschungsethischen und -methodischen sowie empirisch-inhaltlichen Erkenntnissen sollte zukünftige Forschung die Themen Lebensqualität und emotionale Kompetenz im Kontext schwerer und mehrfacher Behinderung durch längerfristige und in den Alltag integrierte Studien weiter im Fokus behalten.