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Die Auftragssituation in der Sprachtherapie ist sehr komplex. In einer Sprachtherapie sind oft unterschiedliche Personen invoviert, wie Eltern, Lehrer, zuweisende Stellen und das sprachauffällige Kind. Diese kommen mit vielfältigen, unklaren und oft widersprüchlichen Erwartungen. Die Autorrin geht von der Annahme aus, dass Therapien als befriedigend erlebt werden, wenn es der Sprachtherapeutin gelingt, die Aufträge der am therapeutischen System beteiligten Personen zu klären, unterschiedliche Anliegen zu einem gemeinsamen Auftrag zu integrieren und einen Konsens in Bezug auf das therapeutische Vorgehen herzustellen. Die Dissertation befasst sich eingehend mit der Bedeutung der Auftragsthematik in der Sprachtherapie und beschreibt die Auftragsklärung als einen wesentlichen Vorgehensschritt in der systemischen Arbeit. Die Dissertation besteht aus fünf Teilen. Teil eins bezieht sich auf den Bereich der Systemtherapie und des Konstruktivismus. Der Arbeit liegt die Annahme implizit zu Grunde, dass sich deren Prinzipien und Grundhaltungen analog auf die Sprachtherapie übertragen lassen. In Teil zwei beschreibt die Autorin, wie konkret ein systemisches Vorgehen in der Sprachtherapie aussehen kann. Sie reflektiert die Rolle der Sprachtherapeutin, die Rolle der Geschwister des sprachauffälligen Kindes und befasst sich mit der therapeutischen Technik des systemischen Fragens. Zudem zeigt sie Vorgehensschritte auf, die sich in der Praxis bewährten. Teil drei beinhaltet die Frage, wieweit erfolgreich erlebte Therapien in der Systemtherapie und in der Sprachbehindertenpädagogik thematisiert wurden. Da im empirischen Teil vier der Zusammenhang zwischen unbefriedigend erlebten Therapien und nicht eindeutig formulierten Aufträgen zur Sprache kommt, werden in Teil drei auf Grund persönlicher Praxiserfahrungen Variablen festgelegt, welche beim befriedigenden Erleben einer Therapie eine Rolle spielen. Die Autorin befasst sich in Teil vier in Form von Einzelfallstudien mit der Frage, wieweit ein Zusammenhang zwischen unbefriedigt erlebten Therapien und nicht eindeutig formulierten Aufträgen besteht. Für die Einzelfallstudien wurde folgendes Design gewählt: Die Versuchsleiterin suchte im Fachkreis der Sprachtherapeutinnen Personen, welche bereit waren, über unbefriedigend erlebte Sprachtherapien zu sprechen. Zudem sollten die Sprachtherapeutinnen die Eltern bitten, ebenfalls an der Befragung teilzunehmen. Es konnten sieben Interviewgruppen mit je einer Sprachtherapeutin und den Eltern des sprachauffälligen Kindes gebildet und befragt werden. In der Dissertation wird das Forschungsvorgehen vorgestellt. Es folgt anschließend eine Darstellung der Ergebnisse und die Interpretation der einzelnen Interviewgruppen sowie der gesamten Interviewgruppe. Zur Interpretation der Ergebnisse sei folgender Ausschnitt zitiert: „Wie die Gegenüberstellung der Erwartungen zeigte, kann die Sprachtherapeutin nämlich nicht davon ausgehen, dass sie dieselben Erwartungen wie die Eltern hat. Wünschenswert wäre, die unterschiedlichen Realitäten, die verschiedenen Wahrnehmungen der am therapeutischen System Beteiligten zu explorieren, indem die Sprachtherapeutin nach den Anliegen und Erwartungen fragt. Ziel ist, Unklarheiten und Widersprüche aufzudecken und einen gemeinsamen Auftrag zu formulieren. Dieser Prozess der Konsensfindung kann Missverständnissen und einem unbefriedigenden Erleben vorbeugen. Auftragsklärung kann in diesem Sinne als Prophylaxe verstanden werden. Die Einigung auf ein Ziel bietet der Sprachtherapeutin zudem eine Orientierungshilfe für die Planung und Durchführung ihrer Therapie. Auch können die Resultate besser überprüft und gegenüber den Eltern transparent gemacht werden (S. 207).“ Die Autorin propagiert auf Grund der empirischen Überprüfung die Auftragsklärung zu Therapiebeginn, bzw. die Auftragsüberprüfung während des Therapieverlaufs als erfolgsversprechenden Ansatz in der Sprachtherapie. Sie ist der Meinung, dass eine Schulung der Sprachtherapeutinnen wünschenswert ist. In Teil fünf zeigt sie auf, wie Auftragsklärung im sprachtherapeutischen Alltag aussehen kann. Sie stellt die verschiedenen Phasen einer Therapie vor und veranschaulicht diese mit Hilfe von drei Praxisbeispielen: einer Therapie, die auf Grund der Auftragsklärung nicht stattfindet, einer Therapie mit einem stotternden Kind, einer Therapie mit einem stammelnden Kind. Die Dissertation richtet sich an Sprachtherapeutinnen und an Fachleute im sonderpädagogischen oder psychologischen Bereich.
Obwohl die frühe Kindheit als entscheidend für die Selbstkonzeptentwicklung betrachtet wird (Marsh, Ellis & Craven, 2002), ist ein Forschungsdefizit in allen Gebieten der Selbstkonzeptforschung in diesem Altersbereich zu beobachten, das mit dem Fehlen geeigneter Verfahren zur adäquaten Selbstkonzepterfassung bei jungen Kindern in Zusammenhang steht (z. B. Wylie, 1989). Insbesondere mangelt es an Verfahren, denen die vielfach belegte Multidimensionalität des Selbstkonzepts in der frühen Kindheit zugrunde liegt und die somit multiple Selbstkonzeptbereiche erfassen können. Die vorliegende Untersuchung stellt mit dem Selbstkonzeptfragebogen für Kindergartenkinder (SEFKI) ein deutschsprachiges Verfahren zur Erfassung eines multiplen Selbstkonzepts vor. Auf dem Selbstkonzeptmodell von Shavelson, Hubner und Stanton (1976) basierend können damit die Bereiche sportliche Fähigkeiten und Interessen, Aussehen, Beziehung zu Gleichaltrigen, Beziehung zu den Eltern, sprachliche Fähigkeiten und Interessen sowie mathematische Fähigkeiten und Interessen erfasst werden. Aufgrund von Befunden aus dem englischsprachigen Raum war von angemessenen psychometrischen Eigenschaften des Fragebogens auszugehen, weshalb der untersuchungsbedingte Verzicht auf eine ausführliche Pilotierung nicht ins Gewicht fällt. Im Rahmen der Studie wurden bisher noch nicht ausreichend erforschte Themenbereiche zum Selbstkonzept in der frühen Kindheit untersucht. Dabei traten vor allem folgende fünf Ergebnisse zu Tage: (1) Hinsichtlich der internen Struktur des Selbstkonzepts lassen sich für die vier- bis sechsjährigen Kinder den SEFKI-Skalen entsprechenden sechs Bereiche (s. o.) identifizieren, die sich im Laufe der frühen Kindheit zunehmend zu differenzieren scheinen. Eine Herausbildung hierarchisch übergeordneter Faktoren ist jedoch nicht klar zu erkennen. (2) Die bereichsspezifischen Selbstkonzepte weisen in der untersuchten Altersspanne lediglich geringe bis moderate Stabilitäten auf. Allgemein bewerten sich die Kinder in allen Bereichen sehr positiv, jedoch zeigen sich bereichsspezifische Entwicklungen: Die Selbstwahrnehmung der Beziehung zu den Eltern sowie der sportlichen und mathematischen Fähigkeiten wird mit zunehmendem Alter positiver, die der Beziehung zu Gleichaltrigen und der verbalen Fähigkeiten eher weniger positiv. (3) Um Zusammenhänge zwischen verschiedenen Selbstkonzeptbereichen und analogen Fähigkeiten bzw. Verhaltensweisen angemessen beurteilen zu können, wurden für alle Bereiche entsprechende Kriterien über die Leistungen der Kinder sowie Einschätzungen von Eltern, Erzieherinnen und Untersucherinnen erhoben. Zwischen den Selbstkonzepten und entsprechenden Fähigkeiten oder Verhaltensweisen zeigen sich nur geringe Beziehungen und nur im Bereich Sprache scheinen sie mit zunehmendem Alter enger zu werden. In nicht-leistungsbezogenen Bereichen sind die Beziehungen noch geringer. Das Selbstkonzept hat einen geringen Einfluss auf sprachliche und mathematische Leistungen am Ende der Kindergartenzeit und scheint eher durch vorangehende Leistungen beeinflusst zu sein. Diese Befunde stützen den Skill-Development-Ansatz als Erklärungsmodell für die Wirkzusammenhänge zwischen Selbstkonzept und Leistung in der frühen Kindheit. (4) Zwischen kindlichem Selbstkonzept und von den Bezugspersonen eingeschätztem Fremdkonzept bestehen keine Zusammenhänge, ausgenommen am Ende der Kindergartenzeit, wo das Fremdkonzept der Erzieherinnen bedeutsam (aber dennoch niedrig) in mehreren Bereichen mit dem Selbstkonzept der Kinder in Beziehung steht. (5) In Bezug auf die Ausprägung und die Entwicklung der verschiedenen Selbstkonzeptbereiche lassen sich verschiedene Effekte interindividueller Unterschiede feststellen. Interessant sind dabei folgende Ergebnisse: (a) Jungen bewerten ihre sportlichen Fähigkeiten und Interessen positiver als Mädchen, Mädchen hingegen die Beziehung zu Gleichaltrigen. (b) Kinder ohne Migrationshintergrund haben in allen Bereichen tendenziell eine positivere Selbstwahrnehmung als Kinder ohne Migrationshintergrund. (c) Obwohl sich die sprachliche und mathematische Leistung durch vorschulische Gruppenförderung verbessert, scheint sich dadurch das Selbstkonzept, besonders im Bereich Sprache, eher ungünstig zu entwickeln.
Seit dem Jahr 2000 läuft an der Pädagogischen Hochschule unter der Leitung von Prof. Theo Klauß und Prof. Wolfgang Lamers ein von der Hochschule gefördertes sehr umfangreiches Projekt in dem die "Bildungsrealität von Kindern und Jugendlichen mit schweren und mehrfachen Behinderungen (BISB)" untersucht wird. Das Projekt bezieht sich auf die Forderung von Johan COMENIUS (1592-1670): Alle Kinder alles auf allumfassende Weise zu lehren (Omnes Omnia Omnina Docere). Kinder mit geistigen Behinderungen gehen in Deutschland erst seit den späten 60-er Jahren in die Schule, Kinder mit schweren und mehrfachen Behinderungen wurden erst seit 1979 in die Sonderschulen aufgenommen. In vielen Ländern gibt es bis heute für sie kein Recht auf Bildung. In den Schulen existieren vielfältige Varianten, diese Schüler zu unterrichten, dennoch herrscht offenbar Unsicherheit, ob dies ihnen wirklich entspricht. Es wurde bislang nicht umfassend untersucht, wie sich ihr Schulalltag gestaltet, wer mit ihnen arbeitet, wie die Rahmenbedingungen sind und wie die Kooperation gelingt. Diesen Fragen wurde im Projekt BiSB durch ein mehrperspektivisches Design nachgegangen, indem zu jeweils zwei Schülern aus allen in Frage kommenden Schulen Baden-Württembergs alle Teammitglieder und die Eltern befragt wurden. Auf diese Weise können gleichzeitig Unterschiede in Bezug auf Qualifikationen, Einstellungen und Sichtweisen zwischen den Berufsgruppen festgestellt werden (vgl. Janz 2006). Die Beteiligung der Schulen war mit 96% (109 von 114 Schulen)ausgesprochen hoch. Insbesondere wurden Daten zu folgenden Bereichen erhoben: - Beeinträchtigungen und Hilfebedarf (entsprechend ICF) - Qualifikationen der Teammitglieder - Kenntnis und Anwendung verschiedener pädagogischer Konzepte - Rahmenbedingungen - Einstellungen und Haltungen der Teammitglieder - Klassenzusammensetzung - Hilfsmittelausstattung - Kooperation mit Eltern Die Ergebnisse des hier vorgestellten ersten Projektteils zeigen, dass die Kinder gut in die Schulen integriert sind und sich nach Meinung ihrer Eltern, Lehrer und Therapeuten wohlfühlen. Der pflegerische Standard ist gut und die Kooperation mit den Eltern findet in ausgeprägter Form statt. Denoch sehen die Teammitglieder auch Verbesserungsbedarf. Es gibt Unsicherheiten, ob das Angebot diesen Kindern tatsächlich entspricht, ob eine Beschulung in homogenen oder heterogenen Klassen sinnvoller ist, bzw. ob die Einzelförderung stärkeres Gewicht erhalten sollte. Der Bericht gibt einen umfassenden Überblick über die Vielzahl an Ergebnissen zu den oben angeführten Themenbereichen.
Die Arbeit bietet zunächst eine Aufarbeitung des theoretischen Hintergrundes der Spracherwerbsstörung und setzt sich dabei mit Fragen des ungestörten und gestörten Grammatikerwerbs, der Ätiologie, der Persistenz von Spracherwerbsstörungen, der Therapieeffektivität und der Diagnostik auseinander. Im Mittelpunkt steht dann die Darstellung einer Therapieeffektivitätsstudie, die den therapie- und unterrichtsdidaktischen Ansatz der "Kontextoptimierung" in der Kleingruppentherapie sowie im therapieintegrierten Unterricht an 6 Schulen für Sprachbehinderte (Klassenstufe 3 und 4) evaluiert. Das Ziel der Intervention lag dabei in der Förderung des Nebensatzerwerbs. Für die Erhebung des jeweils erreichten Erwerbsstands komplexer syntaktischer Fähigkeiten wurde ein in der Arbeit dokumentiertes Diagnostikverfahren (Screening im Klassenverband und umfassenderes Material für die Einzelüberprüfung) entwickelt. Die durchgeführte Intervention wird anhand praktischer Beispiele konkretisiert. Der Therapieerfolg wurde zu zwei Zeitpunkten (Posttest I: unmittelbar nach der Intervention; Postest II: nach einer interventionsfreien Phase 3 Monate nach Therapieabschluss) erhoben. Die Auswertung erfolgte sowohl gruppenbezogen als auch einzelfallbezogen und vergleicht jeweils - den Ausgangsstand und den nach der Förderung erreichten Stand des Nebensatzerwerbs, - die auf den Nebensatz bezogenen sprachlichen Leistungen in der Experimentalgruppen und einer Kontrollgruppe sowie - den Einfluss unterschiedlicher Faktoren (u. a. Alter, Mehrsprachigkeit, auditive Verarbeitungsfähigkeiten) auf den Therapieerfolg. Ergänzend wurde eine Pilotstudie in die Untersuchung integriert, in der die Weiterentwicklung grammatischer Fähigkeiten in einem (auf das spezielle Ziel des Nebensatzwerwerbs bezogen)interventionsfreien Zeitraum bei spracherwerbsgestörten Kindern überprüft wurde, die in der Eingangsuntersuchung der Produktion von Nebensätzen bereits einen Korrektheitsgrad von mindestens 60% erreicht hatten.
Die Dissertation befasst sich mit der (psycho-)sozialen Situation älterer geistig behinderter Menschen in Wohnheimen, die schon das Rentenalter erreicht haben. Aufgrund der demographischen Entwicklung, die in den fortgeschrittenen Industriegesellschaften des Westens eindeutig in Richtung einer z. T. dramatischen Zunahme älterer und alter Populationen geht, ist schon von einem möglichen „Zusammenbruch des Generationenvertrags“ die Rede, weil die wachsenden Kosten für Renten, Pflegebedürftigkeit etc. schon in wenigen Jahrzehnten nicht mehr finanziert werden könnten. Deshalb wird auch immer öfter und immer lauter öffentlich über angebliche Notwendigkeiten geredet, das „soziale Netz zu beschneiden“, soziale Leistungen zu kürzen etc; die Mitte der 90er Jahre eingeführte Pflegeversicherung steht unter dem ständigen Zwang der „Kostendeckelung“ und des „Kostenvorbehalts“. Überall wird gespart, „Rationalisierungsreserven“ werden ausgelotet und „Professionelle“, soweit möglich, durch „Ehrenamtliche“ ersetzt. Die Arbeit weist einen theoretischen und einen empirischen Teil auf. Der theoretische Teil umfasst die Kapitel 2 und 3. Das Kapitel 2 befasst sich zunächst mit den gesellschaftlichen Entwicklungen in den fortgeschrittenen westlichen Ländern unter dem Stichwort „Von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft“ (2.1). 2.2 fasst unter „Individualisierung und der Wandel der Industriegesellschaft“ die Tendenzen zusammen, die unter Stichworten wie „Risikogesellschaft“, „Ende der >alten Moderne<“ etc. u. a. von Ulrich Beck in sozialwissenschaftlichen Theorien verarbeitet wurden (2.2.1). Ferner werden die Akzentverschiebungen in den (post-)modernen Gesellschaften am Wandel des Altersbildes erläutert, wo teilweise die „Neuen Alten“ gegen die „Alten Alten“ ausgespielt werden – und wo sich die Frage aufdrängt, ob die Fraktionierungen in der Altersgruppe der RentnerInnen nicht auch ein Auseinanderdriften der Sozialstruktur widerspiegeln (2.2.2). In 2.3 geht es darum, ob individuelle Eigenvorsorge (was heute auch oft als „Eigenverantwortung“ bezeichnet wird) und das Prinzip der Subsidiarität tatsächlich die sozialstaatliche Daseinsfürsorge funktional äquivalent ersetzen können, wie besonders von neoliberaler Seite immer wieder suggeriert wird. Kapitel 3 beschäftigt sich mit dem Thema Alter und Behinderung. 3.1 befasst sich speziell mit der psychosozialen Situation älterer Behinderter unter den Bedingungen der „Krise des Sozialstaates“. Dann geht es um die Frage, wie unter dem Diktat knapper öffentlicher Gelder die Lebensqualität älterer behinderter Menschen so gut wie möglich aufrecht erhalten werden kann (3.2) und stellt unter diesem Gesichtspunkt einen psychologischen Forschungsansatz dar, der auch als die „ökologische Psychologie des Alterns“ bezeichnet wird (3.2.1) und mit dem die Bedingungen erforscht werden sollen, unter denen gleichsam die „Quadratur des Kreises“ gelingen könnte, trotz der Sparzwänge die Lebensqualität (behinderter) alter Menschen zu erhalten oder sogar zu steigern. 3.3 enthält eine kurz gehaltene, sozialphilosophische Erörterung zur Frage, welche Grundrechte ein Behinderter bzw. Pflegebedürftiger denn nun eigentlich hat, und ob liberale Grundrechte ausreichen (in denen etwa ein Pflegebedürftiger als „Kunde“ eines Pflegeheims betrachtet wird) oder ob diese nicht vielmehr durch soziale Grundrechte vervollständigt werden müssen, wie sie ja etwa schon im „Sozialstaatsgebot“ des Grundgesetzes angedeutet sind. 3.5 behandelt nochmals den gesellschaftlichen Strukturwandel, diesmal unter dem besonderen Augenmerk der sozialen Folgen für ältere Behinderte im engeren Sinn. Kapitel 4 widmet sich einem internationalen Vergleich empirischer und sozialgerontologischer Befunde über geistig Behinderte im Rentenalter. Das Kapitel 5 stellt den empirischen Teil der Arbeit dar. Dort werden die Ergebnisse und Befunde einer eigenen Befragung dargestellt, die im Sommer 2001 in fünf Wohnheimen des Münsterlandes durchgeführt und für die eigens ein Fragebogen entwickelt wurde. Interviewpartner waren die Heimleitungen, das Personal und einzelne geistig Behinderte. Die Heimleitungen wurden dabei zu den Stichworten Prävention, Rehabilitation, Integration und Normalisierung in Anlehnung an das von A. Skiba entwickelte Schema befragt. 5.1 gibt eine Einführung in die Fragestellung der Untersuchung und widmet sich methodischen Fragen des qualitativen Interviews, 5.2 schildert Einzelheiten der Durchführung und 5.3 enthält die Ergebnisse der Befragung. In Kapitel 6 werden die Ergebnisse der eigenen Befragung nochmals resümiert und mit dem im theoretischen Teil Erarbeiteten verglichen. Daraus ergibt sich eine bestimmte Zustandsbeschreibung der aktuellen Situation geistig behinderter alter Menschen in Wohnheimen, die zum Schluss mit konkreten Forderungen zur Verbesserung eben dieser Situation verbunden wird.
Schülerinnen und Schüler mit schweren und mehrfachen Behinderungen sind in allen Lebensbereichen auf umfassende Unterstützung angewiesen. Für die schulische Bildung ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Kooperation verschiedener Berufsgruppen (z.B. Pädagogen, Therapeuten, Pflegekräften). Dennoch wurde bislang nicht umfassend untersucht, wie sich die interprofessionelle Zusammenarbeit in diesem Arbeitsfeld gestaltet. Die übergeordnete Fragestellung der vorliegenden Arbeit, lässt sich - abgeleitet aus der psychologischen und (sonder-)pädagogischen Literatur zur Teamarbeit - in die Untersuchungsschwerpunkte Planung und Konzeption der Kooperation, Unterschiede zwischen den Berufsgruppen und die konkrete Zusammenarbeit gliedern. Die konkreten Fragestellungen in diesen Schwerpunkten werden durch verschiedene methodische Zugänge bearbeitet. Da die Untersuchung an das Forschungsprojekt BiSB (Bildungsrealität von Kindern und Jugendlichen mit schweren und mehrfachen Behinderungen) der Pädagogischen Hochschule Heidelberg angegliedert ist, kann dabei auf die umfangreichen Methoden des Projekts zurückgegriffen werden: Zum einen auf eine flächendeckende, mehrperspektivische Fragebogenerhebung in Baden-Württemberg, zum anderen auf sechs videobasierte, einwöchige Einzelfallstudien sowie auf das Teamklima-Inventar (TKI). Die Ergebnisse der Fragebogenerhebung zeigen u.a., dass interprofessionelle Teamarbeit nicht an allen Schulen konzeptionell verankert ist und dass Teamsitzungen nur bei ca. einem Drittel der untersuchten Schulen regelmäßig wöchentlich stattfinden. Außerdem wird deutlich, dass sich die Berufsgruppen - wie erwartet - hinsichtlich ihrer Voraussetzungen, ihrer Kenntnisse und Einstellungen voneinander unterscheiden. Die Untersuchung der konkreten Zusammenarbeit durch die Befragung (also durch Einschätzungen) und durch Videoanalysen zeigt, dass die Aufgabenverteilung und der Kompetenztransfer in den verschiedenen Teams sehr unterschiedlich geregelt sind und dass es hinsichtlich der Nutzung der Personalressourcen Qualifikations- und Verbesserungsbedarf gibt. Abschließend werden Implikationen für die Teammitglieder, die Schulleitungen und die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften abgeleitet.
Die Dissertation untersucht die Handlungsrelevanz verschiedener Faktoren, welche auf Frauen und Paare einwirken, die ein Baby mit der genetischen Veränderung „Ullrich-Turner-Syndrom“ erwarten und über den Fortgang der Schwangerschaft entscheiden. Mädchen und Frauen mit dieser Chromosomenabweichung bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Normalität, chronischer Erkrankung und Behinderung: Während das Ullrich-Turner-Syndrom von den meisten Betroffenen selbst nicht als Behinderung erlebt wird, kann sich nur ein kleiner Teil werdender Eltern darauf einlassen, ihr derart chromosomal verändertes Kind auszutragen. Als entscheidungsbestimmend für das Fortführen der Schwangerschaft nach der pränatalen Diagnose „Ullrich-Turner-Syndrom“ konnte vor allem das Vorhandensein bestimmter Persönlichkeitsmerkmale der Schwangeren identifiziert werden. Eine grundsätzlich optimistische sowie ressourcenorientierte Lebenseinstellung in Verbindung mit einer religiösen Überzeugung und ethischen Wertvorstellungen lässt eine gelingende Lebensgestaltung für die gesamte Familie als möglich erscheinen - ungeachtet der chromosomalen Besonderheit des Babys. Diese Persönlichkeitseigenschaften bedingen und beeinflussen wiederum die Wirkkraft weiterer Einflussfaktoren (des Informiertseins der Schwangeren über das Ullrich-Turner-Syndrom, der Beratungspraxis der behandelnden Mediziner, des familiär-sozialen Backups u.a.). Am Beispiel des oben genannten Syndroms wurde zudem theoretisch erörtert, was Behinderung bzw. Normalität grundsätzlich konstituiert. Unabhängig von real zu erwartenden körperlichen/geistigen Beeinträchtigungen werden schwangere Frauen und ihre Partner in einem hohen Maße durch eine antizipierte Stigmatisierung und gesellschaftliche Ausgrenzung ihrer ungeborenen Tochter in ihren Entscheidungen über das Fortführen bzw. den Abbruch der Schwangerschaft beeinflusst. Dies stützt eine soziale Sichtweise von Behinderung, wonach die Ursachen von behinderungsbedingten Problemen nicht vorrangig im Individuum selbst, sondern (auch) in der Gesellschaft verortet sind.
Die Olsztyner Hör Reime (OHR) können innerhalb der Pädagogischen Audiologie als zuverlässige Methode zur Optimierung der apparativen Versorgung von Kindern im Alter von 3-7 Jahren eingesetzt werden. Das Verfahren ist besonders kindgerecht, motivierend und interessant für das Kind gestaltet, wodurch differenzierte Aussagen in möglichst kurzen Untersuchungsphasen ermöglicht werden. Bei der Standardisierung des OHR-Verfahrens wurde eine Gesamtverständlichkeit von 98,92% der gesamten Wortlisten für die Normierung der Altersgruppe 3-4 Jahre und eine Gesamtverständlichkeit von 99,25% der Altersgruppe 5-7 Jahre bei hörenden Kindern erreicht. Die gesamte Durchführung (N=274) fand unter Einfluss von Störschall statt. Dieser wurde aus allen Ziel-Items des Verfahrens generiert und mit einem Nutzschall-Störschallverhältnis von S/N +6dB SPL dargeboten. Die gesamte Entwicklung und Durchführung der Olsztyner Hör Reime für die Pädagogische Audiologie im polnischen Sprachraum orientiert sich an neuesten Erkenntnissen der internationalen Sprachaudiometrie speziell für Kinder. Die Sprachaufnahmen selbst wurden daher in qualitativer Hinsicht in hohem Maße kindgerecht und im teacherese von einer Nativespeakerin aufgesprochen. Diese Methode ist innerhalb der Sprachaudiometrie originär, es stehen dazu keinerlei wissenschaftliche Daten zum Vergleich zur Verfügung. Sascha Bischoff
Unter den zahlreichen Vorschlägen zur Therapie von Entwicklungsdyslexie und -dysgraphie stoßen gegenwärtig solche auf besonderes Interesse, die auf eine Optimierung sublexikalischer Lese- und Schreibstrategien durch ein Training der Phonembewusstheit abzielen. Die grundsätzliche Effektivität dieses Ansatzes gilt als gut belegt, insbesondere, wenn mit dem Training frühzeitig begonnen wird bevor sich dyslektische und dysgrafische Defizite verfestigt haben. Bei älteren Kindern jedoch, deren Defizite nach dem ersten Grundschuljahr persistieren, sind die so erzielbaren Verbesserungen der Lese- und insbesondere der Schreibleistung gering. In der hier beschriebenen multiplen Einzelfallstudie mit sechs schwer dysgraphischen deutschsprachigen Drittklässlern wird der Frage nachgegangen, ob sublexikalische Schreibstrategien bei diesen Kindern effektiver trainierbar wären, wenn zunächst an der phonologisch-orthographischen Zuordnung von Silbenkonstituenten (Onsets und Reime) gearbeitet und erst danach ein Training auf der Phonem/Graphem-Ebene angeschlossen wird. Diese Vorgehensweise beruht auf der Annahme, dass Defizite der Phonembewusstheit häufig die Folge von Defiziten beim Aufbau von phonologischen Repräsentationen der Silbenstruktur sind, die sich bereits frühzeitig während des präliteralen Phonologieerwerbs manifestiert haben. Ein Training zur Onset- bzw. Reimbewusstheit könnte deshalb eine Einstiegshilfe für nachfolgende Übungen zur Phonembewusstheit sein. Alternativ könnte es den Aufbau einer Analogiestrategie fördern, mit deren Hilfe therapieresistente Defizite der Phonembewusstheit kompensierbar wären. Die Ergebnisse der Studie unterstützen die Hypothese, dass die Effektivität von sublexikalischem Schreibtraining durch eine Berücksichtigung der Onset/Reim-Ebene optimierbar ist. Der Einfluss des Trainings auf die Leistungen in verschiedene Aufgaben zum Schreiben nach Diktat und zur phonologischen Verarbeitung war dabei von Fall zu Fall verschieden. Diese Variabilität deutet darauf hin, dass der Wirkung von Onset/Reim-Training unterschiedliche kognitive Mechanismen zugrunde liegen.
Die vorliegende Arbeit versteht sich als kritischer Einsatz in den professionellen Diskurs um die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung. In einem ersten Teil werden unterschiedlichen Bezugnahmen der Sonderpädagogik sowie der Behindertenhilfe auf den Begriff der Selbstbestimmung zwischen anthropologischer Konstante und zu entwickelnder Kompetenz nachgezeichnet. Darüber hinaus wird auf kritische Positionierungen im Diskurs eingegangen, womit Fragen nach der Rolle gesellschaftlicher Normen, der Intersubjektivität sozialer Beziehungen und der Relationalität von Anrufungsprozessen ins Zentrum des Interesses rücken. Diese Fragen zusammenfassend und weiterführend, wird im zweiten Teil der Arbeit der Versuch unternommen, ein kritisches Verständnis von Selbstbestimmung im Anschluss an Judith Butlers Theorie der Subjektivation zu entwerfen. Das hieraus folgende, relationale Verständnis von Selbstbestimmung stellt sich als Provokation für die Behindertenhilfe und die Sonderpädagogik heraus, insofern es zur Selbstkritik der Disziplin aufruft. Zu verhandeln sind dann nie abschließbare Fragen nach der Singularität des Anderen und den Bedingungen der Anerkennbarkeit dieser Singularität im Erziehungs- und Hilfesystem.