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Historisches Lernen im virtuellen Medium

  • Digitale Medien sind in den letzten Jahren fester Bestandteil der Lebenswelt, der Erinnerungskultur, aber auch des historischen Lernens geworden. Deshalb wirkt der Titel „Historisches Lernen im virtuellen Medium“ zunächst geläufig. Bei genauerer Betrachtung bedürfen die Schlüsselbegriffe aber einer Ausdifferenzierung. Beim „virtuellen Medium“ handelt es sich um unterschiedliche digitale Medien, die von Lernsoftware oder Computerspielen auf DVD bis hin zum Internet reichen. Hinter „dem Netz“, das sich in seiner jetzigen Ausprägung partizipativ und kommunikativ gibt, verbergen sich aber eine Vielzahl von – bisher noch kaum systematisierten – Anwendungen, die sich in ihrer Eigenart, ihrem Anspruch und in ihrer Rezeption wesentlich voneinander unterscheiden. Bezogen auf den Gegenstand Geschichte sind dies beispielsweise große wissenschaftliche Portale wie HSozKult, die u.a. Rezensionen, Tagungsankündigungen und Möglichkeiten zu kontroverser Diskussion bieten. Das geschichtsdidaktische Portal www.lernen-aus-der-geschichte.de veröffentlicht eine thematisch ausgerichtete Onlinezeitschrift, den sog. Newsletter. Zeitzeugenarchive, virtuelle Museen wie das „Lebendige virtuelle Museum Online“ (LeMO), virtuelle historische Stadtrundgänge, Frage-Antwort-Portale auch mit historischen Fragen, Weblogs mit historischen Inhalten, Youtube-Filme und nicht zuletzt das Online-Lexikon Wikipedia weisen höchst unterschiedliche Charakteristika auf – sowohl was ihren Anspruch als auch ihre Nutzung betrifft. Nur einige der genannten Anwendungen verstehen sich als historischer Lernort, z.B. die virtuellen Museen, bei anderen steht das historische Lernen nicht im Vordergrund. Das virtuelle Medium gibt es also nicht, sondern die Vielzahl der unterschiedlichen Anwendungen muss differenziert charakterisiert und analysiert werden. Zumindest den Internetanwendungen gemeinsam ist deren Hypertextstruktur, ein Merkmal, das auch das Erzählen von Geschichte im Internet verändert. An die Stelle linearer „Meistererzählungen“, die einen bestimmbaren Anfang und Schluss haben, treten vermehrt Narrationen, deren Merkmale im situativen, assoziativen, multiperspektivischen Erzählen mit offenen Enden und der Möglichkeit – aber nicht immer der Gegebenheit – des sich Einklinkens auch von Laien bestehen. Diese situativen historischen Erzählungen betonen die Heterogenität und Diskontinuität einer offenen Geschichte, was die Orientierung mit deren Hilfe erschwert (vgl. Krameritsch 2010). Gleichzeitig treten im Internet viele „private“ Zeitzeugen auf, deren Erinnerungen nicht, z.B. durch eine wissenschaftliche Redaktion, „zertifiziert“ wurden. Sie gestalten auch viele Erinnerungsseiten, z.B. an Ereignisse oder Personen, so dass die Geschichtskultur im Netz viel stärker durch ein Nebeneinander von wissenschaftlichen, halbwissenschaftlichen, journalistischen und privaten Elementen bestimmt ist. Erinnerungen sind zwar per se virtuell und lassen sich nur an Erinnerungsobjekten wie Fotos „festmachen“, gleichwohl mischen sich in ihnen reale und fiktive Elemente, als dass erzählte Erinnerungen im Zeitverlauf ausgeschmückt und modifiziert werden. Die fiktiven Elemente enthalten dann die Verarbeitungen, medialen Überblendungen und Versicherungen der erinnernden Person. Schon dieses Verhältnis zeigt, dass real und fiktiv keinen Gegensatz darstellen, sondern Wirkliches und Nicht-Wirkliches aufeinander bezogen werden. Gleiches gilt für das virtuelle Medium, in dem z.B. Avatare nicht nur als fiktiv, sondern in ihrer Gemeinsamkeit und Unterschiedlichkeit zu lebenden Personen wahrgenommen werden. Ob diese Eigenschaft auch von allen Rezipient/innen wahrgenommen wird, sei in Frage gestellt. Dies betrifft gerade auch Schüler/innen, die sich als sogenannte „digital Natives“ scheinbar mühelos der digitalen Medien bedienen, sich dabei aber häufig auf bestimmt Elemente wie Twitter oder soziale Netzwerke beschränken, von einer „historische Online-Kompetenz“, die z.B. eine kritische Haltung zu den Angeboten beinhaltet, aber noch weit entfernt sind. Gleichzeitig hat sich das schulische Arbeiten, z.B. im Hinblick auf Referate zu historischen Themen, verändert, insofern diese häufig aus Internetfunden bestehen, die aus dem immer verfügbaren Netz heruntergezogen werden. Auch über diese Veränderungen des historischen Lernens wird in diesem Band – und wahrscheinlich noch weit darüber hinaus – zu sprechen sein, gerade weil empirische Befunde dazu noch weitgehend fehlen. Dieser Band „Historisches Lernen im virtuellen Medium“ dokumentiert die Ergebnisse einer im März 2009 an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg durchgeführten Tagung und enthält die überarbeiteten und teilweise erweiterten Vorträge der Tagung.

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Metadaten
Publishing Institution:Pädagogische Hochschule Heidelberg
DDC classes:900 Geschichte und Geografie / 900 Geschichte
GND Keyword:Geschichtsdidaktik; Geschichtsunterricht
Document Type:Book
Language:German
Series (Serial Number):Schriftenreihe der Pädagogischen Hochschule Heidelberg (54)
URN:urn:nbn:de:bsz:he76-opus4-16388
DOI:https://doi.org/10.60497/opus-1638
ISBN:978-3-86809-044-4
Publisher:Mattes
Place of publication:Heidelberg
Editor:Bettina Alavi
Year of Completion:2010
Release Date:2024/03/07
Page Number:258
hasSourceSWB:withoutPPN
Licence (German):License LogoCreative Commons - CC BY-NC-ND - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International