@book{OPUS4-1630, title = {Jugendkulturen : 6. Heidelberger Dienstagsseminar}, editor = {Hans Peter Henecka and Heinz Janalik and Doris Schmidt}, publisher = {Mattes}, address = {Heidelberg}, isbn = {978-3-930978-85-4}, doi = {10.60497/opus-1630}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:he76-opus4-16301}, pages = {202}, year = {2005}, abstract = {Eine Folge der Industrialisierungs- und Modernisierungsprozesse ist nicht nur die gesellschaftliche „Erfindung“, Definition und Anerkennung einer besonderen Jugendzeit, sondern etwa seit dem 19. Jahrhundert auch zweifellos die kontinuierliche Ausweitung dieser Lebensphase. Dabei entstanden vor allem in den letzten hundert Jahren f{\"u}r diese Altersgruppe besondere soziale R{\"a}ume, die sich im historischen R{\"u}ckblick teils als relativ geschlossene, teils als eher offene Lebensbereiche darstellen. Jugendliche und Heranwachsende k{\"o}nnen und konnten sich hier nicht nur in quasi gesellschaftlicher Funktionalit{\"a}t oder in dezidiert p{\"a}dagogischer Absicht entfalten und auf ihr nachfolgendes Erwachsenenleben vorbereiten, sondern auch – wenngleich mit unterschiedlichen gesellschaftlich-politischen Toleranzmargen – in vielf{\"a}ltiger Weise selbst gestaltend eigene soziale und kulturelle Mikrokosmen schaffen und pflegen. In den Sozialwissenschaften wurden diese „eigenen Welten“ lange Zeit als jugendliche Teil- oder Subkulturen beschrieben, die nach der ber{\"u}hmten Umschreibung des amerikanischen Soziologen Robert R. Bell jeweils „ein relativ koh{\"a}rentes System...innerhalb des Gesamtsystems unserer nationalen Kultur“ bilden: „Solche Subkulturen entwickeln strukturelle und funktionale Eigenheiten, die ihre Mitglieder in einem gewissen Grade von der {\"u}brigen Gesellschaft unterscheiden“ (Bell 1965, S. 83). Real existieren hiernach solche Teil- oder Subkulturen in den Peergruppen der Heranwachsenden mit ihren spezifischen Normen, Werten und Orientierungsmustern und erf{\"u}llen dort als Statuspassage zwischen Kindheit und den sozialen Rollenanforderungen der Erwachsenenwelt die gesellschaftliche Funktion einer letztlich integrativen {\"U}bergangsregulierung (Parsons 1942). Andererseits wurden diese Kulturen der Gleichaltrigen mit ihren typischen Verhaltensmustern und Symbolen, ihrer teilweise zwanghaften Gruppenkonformit{\"a}t und Opposition gegen{\"u}ber den Erwartungen und Autorit{\"a}ten der Erwachsenengesellschaft sowie einer (aus Erwachsenensicht) oft unrealistischen Verherrlichung emotional bedeutsamer Objekte (Parsons 1950) als gesellschaftlich riskante Problemzonen verstanden, die unter bestimmten Bedingungen dann auch mehr oder weniger heftige Konflikte untereinander und zwischen den Generationen auszul{\"o}sen in der Lage sind. Dementsprechend thematisierte Subkulturforschung bis etwa 1975 insbesondere die Ambivalenz zwischen jugendlicher Integration in gesellschaftlich kompatiblen Teilkulturen und jugendlichem Protest und Widerstand in partiell oder total gegenkulturellen Entw{\"u}rfen. Methodologisch verstand sie sich dabei vor allem als „Ethnologie im eigenen Land“ bzw. als „intrakulturelle Erforschung des Fremden“ (Griese 2000, S. 39). Aus heutiger Sicht sind diese Definitionsversuche und die daraus resultierenden Forschungsperspektiven insofern ungen{\"u}gend, als jugendliches Verhalten weder damals noch gegenw{\"a}rtig sich empirisch als homogen erweist. Es muss nicht nur in komplexer Abh{\"a}ngigkeit von differenzierenden Variablen wie Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft, Schulbildung, Berufswahl usw. betrachtet werden, sondern auch unter den Aspekten {\"o}konomischer und politischer R{\"u}ckkopplungen. In vielf{\"a}ltiger Weise sind ja de facto Jugendliche und Heranwachsende durch Ausbildung und Lernen wirtschaftlich und sozial abh{\"a}ngig, d. h. auch weitgehend {\"u}ber Familien- und Bildungssystem existentiell in der Gesamtgesellschaft verortet, so dass sich kulturelle Kreativit{\"a}ten und Identit{\"a}ten prim{\"a}r im Freizeitbereich entfalten (k{\"o}nnen). Die tats{\"a}chliche strukturbildende Bedeutung bestimmter Merkmalszusammenh{\"a}nge erscheint somit keineswegs eindeutig gekl{\"a}rt und das etwas unscharfe Konzept der Teilkultur oder die Fixierung jugendsoziologischen Denkens auf die Idee gesonderter Subkulturen erweist sich als zu sehr mit der Gefahr einer vorschnellen Generalisierung verbunden (Henecka 1973, S. 102). Hinzu kommt, dass nicht nur zunehmend der intergesellschaftliche Charakter jugendlicher Mikrokosmen und deren kulturindustrielle und massenmediale Abh{\"a}ngigkeiten offenkundig wurde, sondern auch die alltagspraktische Bedeutung dieser Bezugssysteme und -gruppen sich f{\"u}r die Jugendlichen selbst immer variantenreicher gestaltete und nicht zuletzt auch unter dem Aspekt subjektiver Zurechnung Jugendlicher zu verschiedenen, teilweise sogar ineinander {\"u}bergehender Gruppen, Szenen oder Stilen sich offener und vielfach unverbindlicher entwickelte. Offensichtlich sind in den letzten Jahrzehnten f{\"u}r Jugendliche und Heranwachsende plurale und den Beobachter in ihrer Un{\"u}bersichtlichkeit h{\"a}ufig verwirrende Kommunikations- und Handlungsfelder entstanden, so dass es nahe lag, diese eigentlich stets aktuelle Thematik als Gegenstand des allj{\"a}hrlich im Wintersemester an der P{\"a}dagogischen Hochschule Heidelberg stattfindenden f{\"a}cher{\"u}bergreifenden Heidelberger Dienstagsseminars zu w{\"a}hlen. Unter dem Titel „Jugendkulturen“ wurde deshalb im Wintersemester 2003/04 Heidelberger Studierenden aber auch der interessierten {\"O}ffentlichkeit eine interdisziplinare Ringvorlesung angeboten, deren zentrale Vortr{\"a}ge in dem vorliegenden Band versammelt sind. Die {\"o}ffentliche Ringvorlesung fand in Kooperation mit dem Erziehungswissenschaftlichen Seminar der Universit{\"a}t Heidelberg und dem Verband der Badischen Sportjugend Karlsruhe statt und wurde von hochschulinternen und -externen Experten bestritten.}, language = {de} }