@phdthesis{Nierhaus2015, author = {Imke Nierhaus}, title = {Die Dissemination der Evidenzbasierten Praxis in der Sprachtherapie}, url = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:he76-opus4-995}, pages = {[15] 244, [2] 156 S.}, year = {2015}, abstract = {Zusammenfassung Die Evidenzbasierte Praxis (EBP) wird beschrieben als der gewissenhafte, ausdr{\"u}ckliche und umsichtige Gebrauch aktuell verf{\"u}gbarer Wirksamkeitsnachweise f{\"u}r die therapeutische Entscheidung in der Behandlung eines individuellen Patienten (vgl. Sackett et al. 1996). Die Entwicklung der Evidenzbasierten Praxis l{\"a}sst sich unter anderem auf eine kanadische {\"A}rztegruppe zur{\"u}ckf{\"u}hren, die den Begriff der evidence based medicine in einem Buch das erste Mal gebrauchte (vgl. Guyatt et al. 1992). Seitdem wird das Vorgehen diskutiert und findet {\"u}ber die {\"A}rzteschaft hinaus auch in anderen Gesundheitsberufen ihre Anwendung. Sackett et al. (1996) beschreiben die Evidenzbasierte Praxis als ein 5-Schritte-Modell: 1) Formulierung einer klinischen Frage, 2) Literaturrecherche zum Auffinden der bestm{\"o}glichen Evidenz, 3) Bewertung der Evidenzen, 4) Integration der Evidenzen in die therapeutische Entscheidung, 5) Evaluation des eigenen Handelns. Durch die Ber{\"u}cksichtigung aktueller Forschungsergebnisse bei der Auswahl therapeutischer Interventionen, bildet die EBP eine Br{\"u}cke zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und klinischer Praxis. Durch diesen Wissenstransfer tr{\"a}gt die Evidenzbasierte Praxis zu einer Weiterentwicklung des einzelnen Therapeuten, aber auch der gesamten Profession bei. Die vorliegende Arbeit er{\"o}rtert die Frage, in wieweit der Gedanke der EBP in der Sprachtherapie in Deutschland als eine Form der therapeutischen Entscheidungsfindung verbreitet ist. Daf{\"u}r findet sich der Begriff der Dissemination abgeleitet vom lateinischen disseminare (= auss{\"a}en). Dissemination beschreibt die fl{\"a}chendeckende Umsetzung einer Idee oder in der Wissenschaft gleichsam die Ver{\"o}ffentlichung von Forschungsergebnissen. Obwohl Einigkeit dar{\"u}ber besteht, dass die Evidenzbasierte Praxis bedeutsam f{\"u}r die therapeutische Versorgung von Menschen ist, wird die Umsetzbarkeit rege diskutiert. Die Herausforderung besteht darin, Ma{\"s}nahmen zu entwickeln, die es erlauben, das evidenzbasierte Vorgehen routinem{\"a}{\"s}ig in die Behandlung von Menschen mit Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckst{\"o}rungen zu integrieren. Barrieren, wie fehlende zeitliche Ressourcen oder der Mangel an qualitativ hochwertigen Forschungsergebnissen in der Sprachtherapie, verhindern aktuell eine fl{\"a}chendeckende Umsetzung. Auch die nicht ausreichenden Kompetenzen zur Anwendung der EBP werden als ein Hindernis angesehen. Die Ausbildung von Sprachtherapeuten bietet daher eine M{\"o}glichkeit, die Evidenzbasierte Praxis als eine grundlegende Form der therapeutischen Entscheidungsfindung zu vermitteln. Exemplarisch wurde, basierend auf Erkenntnissen aus internationalen Curricula zur EBP, ein Blended-Learning Seminar „Evidenzbasierte Praxis {\"u}ben“ f{\"u}r Fach- und Hochschulen der Logop{\"a}die entwickelt und evaluiert. Blended-Learning ist eine Kombination aus E-Learning Komponenten und Pr{\"a}senzlehre (vgl. Meier 2006). Das Seminar besteht aus zwei E-Learning Phasen, die durch eine Auftakt-, eine Zwischenpr{\"a}senz- und eine Abschlussveranstaltung begleitet werden und insgesamt zehn Wochen umfasst. Der E-Learning Teil der Veranstaltung wurde mithilfe der Lernplattform „moodle“ umgesetzt. Das gesamte Seminar orientiert sich an der Methode des fallbasierten Lernens und leitet die Teilnehmer anhand eines fiktiven Falls durch die einzelnen Schritte der EBP. Die Evaluation des Grundlagenseminars „Evidenzbasierte Praxis {\"u}ben“ wurde an zwei Fach- und einer Hochschule mit 56 Teilnehmern durchgef{\"u}hrt. Die Daten von insgesamt 39 Studierenden, die am Vor- und Nachtest teilnahmen, konnten in die Auswertung der Ergebnisse einflie{\"s}en (Hochschule: N = 17; Fachschulen: N = 22). Vor allem aufgrund einer geringeren Teilnahme an der Abschlussveranstaltung kam es zu den insgesamt 17 Drop-Outs. Eine grundlegende Frage innerhalb des Evaluationsprojektes war, welche Erhebungsmethoden zum Erfassen des Wissens zur Evidenzbasierten Praxis genutzt werden k{\"o}nnen. Der standardisierte Fresno-Test (vgl. Ramos, Schafer und Tracz 2003) wurde als ein m{\"o}gliches Verfahren identifiziert und f{\"u}r das vorliegende Projekt modifiziert. Der daraus entstandene f{\"u}r die Sprachtherapeuten adaptierte Test weist keine zufriedenstellende G{\"u}te auf, so dass die Ergebnisse nur unter Vorbehalt interpretiert werden d{\"u}rfen. F{\"u}r zuk{\"u}nftige Projekte wird es notwendig sein, ein standardisiertes Verfahren zur Erfassung von Kompetenzen der EBP f{\"u}r Sprachtherapeuten zu entwickeln und zu erproben. Neben dem modifizierten Fresno-Test wurden das Berliner Evaluationsinstrument f{\"u}r selbsteingesch{\"a}tzte, studentische Kompetenzen (BEvaKomp, vgl. Braun et al. 2008), ein Fragebogen zur Erfassung der Einstellung zur EBP vor und nach dem Seminar (vgl. McAllister et al. 1999), sowie ein Fragebogen zur Einsch{\"a}tzung der Qualit{\"a}t des Seminars (vgl. Kreidl 2011) eingesetzt. Der tats{\"a}chliche Workload der Studierenden wurde orientierend mithilfe von Logfiles und der Anzahl bearbeiteter Aktivit{\"a}ten innerhalb des E-Learning Portals erfasst. Das Seminar konnte den Teilnehmern (N = 39) einen Einstieg in das Thema EBP bieten und f{\"u}hrte zu einem signifikanten Wissenszuwachs (p < ,001), wobei die Studierenden auch im Nachtest gerade mal 37\% der Gesamtpunktwerte des Fresno-Tests erreichten. Die Studierenden der Hochschule starteten mit einem signifikanten Wissensvorsprung (p < ,001), erzielten im Nachtest jedoch die gleichen Ergebnisse wie die Teilnehmer der Fachschule. Aufgrund des Blended-Learning Formats mit hohem E-Learning Anteil war der tats{\"a}chliche Workload der Studierenden geringer als intendiert. Die Studierenden bearbeiteten im Durchschnitt gerade einmal 30\% der angebotenen Aktivit{\"a}ten. Auch w{\"a}hrend der Pr{\"a}senzveranstaltungen kam es zum letzten Zeitpunkt zu einer hohen Fluktuation. Da die Studierenden eine Selbststudiumsaufgabe zur Vorbereitung der Abschlussveranstaltung nicht ausf{\"u}hrten, konnte das Seminar nicht wie geplant durchgef{\"u}hrt werden. Die Studierenden bewerteten die Gestaltung des Seminars durchweg positiv, gaben in den freien Antworten des Fragebogens den Zeitmangel als einen Grund f{\"u}r den geringen Lerneinsatz an. Die Einstellung zur EBP erwies sich sowohl vor, als auch nach dem Seminar als durchweg positiv. Eine Entwicklung {\"u}ber die Zeit zeigte sich dahingehend, dass die Studierenden m{\"o}gliche Barrieren in der Umsetzung des evidenzbasierten Handelns im klinischen Alltag, beispielsweise der Zugang zu qualitativ hochwertigen Studien, nach dem Seminar realistischer einsch{\"a}tzten. Die vorliegende Arbeit bietet einen {\"U}berblick {\"u}ber die Bedeutung der Evidenzbasierten Praxis f{\"u}r die Sprachtherapie, wobei der Schwerpunkt auf der Implementierung der EBP in den Ausbildungskontext von Sprachtherapeuten liegt. Sie bietet eine Basis, um weitere Ma{\"s}nahmen abzuleiten, die Dissemination der Evidenzbasierten Praxis in der Sprachtherapie voranzutreiben. Neben der Aufbereitung externer Evidenzen f{\"u}r die zeit{\"o}konomische Anwendung der EBP in der klinischen Praxis, m{\"u}ssen niedrigschwellige Zug{\"a}nge zu diesen Ressourcen geschaffen werden. Die Weiterentwicklung von Schulungsangebote zur Evidenzbasierten Praxis in der Sprachtherapie bildet daneben eine Aufgabe der Lehr- und Lernforschung. Zur Evaluation dieser Programme m{\"u}ssen standardisierte Instrumente etabliert werden (vgl. Dawes et al. 2005). Insgesamt als hilfreich zu bewerten, ist die durchweg positive Einstellung der Studierenden gegen{\"u}ber der Evidenzbasierten Praxis. Auf dieser Grundlage sollte die EBP standardm{\"a}{\"s}ig Einzug in die Curricula der Ausbildung von Sprachtherapeuten erhalten.}, language = {de} }